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Maritime Wirtschaft in Deutschland stärken

Maritime Wirtschaft in Deutschland stärken (Koalition), Drs. 16/4423,

Schutz und Nutzung der Meere – Für eine integrierte maritime Politik, 16/4418, (FDP) Umweltfreundliche Stromversorgung von Schiffen in Häfen unterstützen, 16/2791 und Beschlussempf. 16/4457

Rede im Deutschen Bundestag

Frau Präsidentin!

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die maritime Wirtschaft ist ein wichtiger Standortfaktor in Deutschland. Darüber gibt es zwischen uns, glaube ich, überhaupt keine Meinungsverschiedenheiten. Deshalb ist es ein ganz zentraler Punkt der deutschen Politik, sie dafür zu nutzen, dass das Marktpotenzial - es wird weltweit auf 150 Milliarden Euro geschätzt, das ist ein riesiger Bereich, in dem die deutsche Technologie mitführend ist - ausgeschöpft wird. Wir wollen diese Marktchancen und diese Innovationsmöglichkeiten nutzen. Wir als Grüne sagen aber auch sehr deutlich: Eine florierende maritime Wirtschaft ist auf ein intaktes Ökosystem Meer angewiesen. Deshalb müssen wir beides zusammen denken: Wir brauchen eine nachhaltige Meerespolitik, die Meeresnutzung und den Schutz des Ökosystems Meer zukunftsfähig miteinander verbindet.

Wenn man sich den Zustand des Meeres anschaut, stellt man fest: überfischt, vergiftet, als Müllkippe missbraucht. So heißt es nicht nur in Papieren der Grünen, sondern so steht es auch im Fischereibericht der Welternährungsorganisation. Danach sind ein Viertel der weltweiten Fischbestände gefährdet. Über die Hälfte der Fischbestände sind so stark ausgebeutet, dass keine Steigerung bei der Befischung mehr möglich ist. Beim Kabeljau - das ist ein ganz aktuelles Beispiel - empfehlen die Experten schon seit Jahren eine Nullquote für die Befischung. Aber der für die Fischerei zuständige EU-Ministerrat fordert jedes Jahr neue Fangquoten: für dieses Jahr über 20 000 Tonnen Kabeljau. Das ist unverantwortlich, nicht nur, weil es den Artenschutz und die Artenvielfalt in der Nord- und Ostsee gefährdet, sondern auch, weil es natürlich Arbeitsplätze gefährdet. Daran wird deutlich, dass die derzeitige Politik nicht nachhaltig ist. An der Fischereipolitik kann man, wie ich glaube, sehr deutlich sehen - das haben ja Nicholas Stern und andere gesagt -, dass unterlassener Umweltschutz und damit eine nicht nachhaltige Politik ökonomisch und ökologisch letztendlich den kurzfristigen ökonomischen Vorteil mehr als aufwiegt.

Ein zweiter Bereich, wo es aus unserer Sicht noch nicht richtig läuft, ist der Bereich der Schiffsemissionen. Der kommerzielle Schiffsverkehr hat unter den Bedingungen der Globalisierung enorme Zuwachsraten. Der Kurzstreckenseeverkehr hat auch in Deutschland und Europa höhere Wachstumsraten als der Straßengüterverkehr. Es handelt sich also um den Verkehr, der am meisten zunimmt. Auch wenn die Schifffahrt im Großen und Ganzen ökologisch ist, so muss man zugleich deutlich machen, dass von ihr auch extreme Belastungen in Form der Schwefeldioxid- und anderer Schwefelemissionen, der Stickstoffemissionen und der CO2-Emissionen der Schiffe ausgehen. In den Hafenstädten ist der Schiffsverkehr mittlerweile mit Abstand der größte Umweltverschmutzer. Das müssen wir ändern.

Wir müssen hierzu eine Reihe von Maßnahmen ergreifen:

Erstens müssen wir an die Treibstoffe ran. Es kann nicht angehen, dass in den Schiffen immer noch Raffinerieabfälle und Sondermüll verbrannt werden. Das ist technisch überhaupt nicht notwendig.

Zweitens müssen auch bei der Schifffahrt Filtertechnologien zum Standard werden. Es ist überhaupt keine Frage: Wir brauchen Grenzwerte für die Schiffsemissionen.

Drittens halten wir es für wichtig, über die Landstromversorgung in den Häfen nachzudenken. Das wäre eine zusätzliche Möglichkeit, gerade in den Hafenstädten Emissionen zu reduzieren. Ich bin froh, dass das mittlerweile nicht nur im Antrag der Grünen, sondern auch in den Anträgen der anderen Fraktionen enthalten ist. Seit der letzten Verkehrsausschusssitzung ist hier ein deutlicher Lerneffekt festzustellen. Ich freue mich darüber, dass die Einführung einer Landstromversorgung als ein Element zur Reduktion der Emissionen von Schiffen akzeptiert ist.

Wir brauchen wie in anderen Bereichen auch in diesem Bereich eine verursachergerechte Anlastung von Kosten. Das ist ein grünes Zentralprinzip, um Nachhaltigkeit herzustellen. Die Hafengebühren in Deutschland sind lächerlich im Vergleich zu den Gebühren, die in Asien gezahlt werden müssen. Eine Anhebung wäre nötig, um die notwendigen Infrastrukturkosten tatsächlich auf die Verursacher umzulegen.

Man schaue sich einmal an, mit welch hohen Subventionen die Infrastruktur in Hafenstädten und die Hinterlandanbindung finanziert werden und welch geringe Rolle zugleich Kooperationen spielen. Wir Grünen haben wiederholt gefordert, dass eine Kooperation zwischen dem Tiefwasserhafen Wilhelmshaven und den Hafenstädten Hamburg und Bremerhaven nötig ist. Nur durch eine solche Kooperation können überflüssige Infrastrukturinvestitionen wie die in eine Elb- oder Weservertiefung vermieden werden.

- Das ist aus unserer Sicht völliger Unfug. Sie wissen genau - Sie kommen aus Niedersachsen, Kollege Goldmann -, welche großen Probleme die Elbvertiefung in Niedersachsen verursachen kann. Deichsicherheit ist eines der zentralen Probleme; Hafenschlick ist ein anderes Problem. Das ist ökonomischer und ökologischer Unfug. Die Schadensdimensionen durch die Schlickproblematik sind überhaupt nicht abzuschätzen.

Deshalb müssen die Hafenstädte kooperieren. Dann kann Deutschland da gut aufgestellt sein. Die Kleinstaaterei und die unsinnige Konkurrenz zwischen den deutschen Seehäfen müssen aufhören.

Wir brauchen sicherlich auch - da stimme ich Ihnen zu, Herr Goldmann - mit Blick auf die Sicherheit auf dem Meer eine nationale Küstenwache, die diesen Namen auch verdient. Den Föderalismusunfug in Fragen der Seesicherheit sollten wir abschaffen. Eine nationale Küstenwache, integriert in ein europäisches Schiffssicherheitskonzept, ist vernünftig. Es ist sehr schade, dass die Bundesregierung - egal welcher Couleur, muss man leider sagen - sich da zu wenig bewegt. Hier brauchen wir eine vernünftige Sicherheitsstruktur.

Lassen Sie mich zum Schluss sagen, wo wir die Zukunftschancen sehen. Ich habe es in Bezug auf die Schiffsantriebe schon gesagt: Mit dem European-Clean-Ship-Konzept können wir eine Struktur aufbauen, mit der die deutsche und die europäische Schiffsbauindustrie vor dem Hintergrund der ökologischen Belastung wettbewerbsfähig gemacht werden können.

Es gibt aber in diesem Bereich der Innovation und der Forschung eine Reihe von Feldern. Unterwasserbergbau ist ein Thema, dem man sich zuwenden muss. Dazu sage ich sehr deutlich: Wir sind nicht im Grundsatz dagegen, dass Mineralien aus dem Meer, zum Beispiel Mangan, gefördert werden. Aber wir brauchen Umweltstandards, die diese Form von Unterwasserbergbau ökologisch verträglich machen, damit wir nicht die gleichen Fehler wie in der Fischerei machen, wo durch Grundschleppnetzfischerei massive ökologische Schäden in den Meeren angerichtet werden.

Von Methanhydraten war hier die Rede. Ich halte den Abbau von Methanhydraten für einen Irrweg. Die Klimabelastung und das Risikopotenzial sind enorm. Wenn wir angesichts der Erwärmung der Meere nicht versuchen, hier so weit wie möglich eine Stabilisierung zu erreichen, dann werden wir riesige Klimaprobleme bekommen. Wir haben das in der Erdgeschichte schon einmal erlebt. Deshalb halte ich es für fahrlässig, locker darüber hinwegzugehen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Antrag der Regierungskoalition heißt: "Maritime Wirtschaft in Deutschland stärken". Vor zwei Jahren hat die rot-grüne Regierung zum gleichen Thema einen Antrag mit dem Titel "Maritimen Standort Deutschland stärken - Innovationskraft nutzen" vorgelegt. Die Innovationskraft ist dieser Regierung abhanden gekommen. Das ist schlecht für die maritime Wirtschaft, aber nicht nur dafür.

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