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Maritime Wirtschaft

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die Bundesregierung hat ihren Jahreswirtschaftsbericht 2008 mit dem Motto „Kurs halten!“ versehen. Was aus diesem Motto am Ende – am Ende des Jahres 2008 und dann Anfang des Jahres 2009 – wurde, haben wir alle erlebt. Es war notwendig, das Steuer dramatisch herumzureißen, weil Kurs halten manchmal auch bedeuten kann, dass man massiv aufläuft und dass große Unfälle geschehen können.

Bei dem, was wir heute haben, wurde nicht nur das Motto des letzten Jahreswirtschaftsberichts abgekupfert, sondern es wurde damit auch eine völlig ahistorische Bewertung der maritimen Wirtschaft in Deutschland verbunden. „Kurs halten!“ ist nicht das Motto. Wenn man sich den Antrag, den Sie gestern eingebracht haben, und die Mutter dieses Antrags einmal anschaut, dann stellt man fest, dass das der Antrag ist, den die rot-grüne Koalition im Jahre 2005 eingebracht hat.

(Dr. Margrit Wetzel [SPD]: Da hast du aber eine komische, selektive Wahrnehmung!)

– Gucken Sie sich das einmal an, liebe Kollegin. Dieser Antrag ist fast wörtlich von dem Antrag abgeschrieben, den Rot-Grün damals eingebracht hat.

Ich will jetzt gar keine Textexegese machen, aber es ist nicht nur in den Überschriften, sondern auch in der Sache das Gleiche.

Da ist nicht einmal im Ansatz irgendetwas Neues drin.

Der Kollege Heilmann hat an dieser Stelle recht: Dieser Antrag bezieht sich in überhaupt keiner Weise auf die Situation, in der sich die maritime Wirtschaft im Augenblick befindet. In dem Antrag werden Sachen referiert, die zum Teil völlig richtig sind, die schon immer richtig waren und die in Zukunft auch richtig sein werden, die mit der Situation heute aber überhaupt nichts, aber auch gar nichts, zu tun haben. Aber die Staatssekretärin stellt sich hier hin und sagt: Das ist ganz toll, wir haben ein Kreditvolumen von 200 Millionen Euro für den Schiffbau in Deutschland. Ich weiß nicht, ob sie schon jemals gehört hat, was es kostet, ein Schiff zu bauen, und um welches Volumen es da geht. Die HSH Nordbank ist einer der großen Schiffbaufinanzierer der Welt; sie hat ein Schiffbaukreditvolumen von 100 Milliarden Euro. Wir haben mit der Bank eine Reihe von Schwierigkeiten. Da geht es aber um ganz andere Größenordnungen. Mit 200 Millionen Euro lässt sich jemand aus Saudi-Arabien vielleicht eine Jacht bauen, aber damit lässt sich nicht die internationale Schiffswirtschaft ankurbeln. Diese Bundesregierung ist hinsichtlich der Kriterien, um die es eigentlich geht, jenseits von Gut und Böse.

Ich will das an einem Beispiel noch einmal deutlich machen. Frau Wöhrl hat ja das Stichwort Abwrackprämie genannt. Worum geht es? Unser Antrag war damals, Frau Wetzel, mit dem Stichwort „Innovationskraft stärken!“ überschrieben. Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass das richtig ist. Bei dem Stichwort Abwrackprämie möchte ich zu bedenken geben, dass wir – anders als bei dem, was die Bundesregierung mit den Autos macht – beim Schiffsabwracken ein echtes globales ökologisches und soziales Problem haben. Denn zwei Drittel der Schiffe, die weltweit abgewrackt werden, werden in Indien und in Bangladesch unter menschenunwürdigen und unter ökologisch desaströsen Bedingungen abgewrackt. Das ist eine ganz große Sauerei, die dem internationalen Recht und dem EU-Recht widerspricht. Denn die Schiffe, die abgewrackt werden, laufen aus den deutschen Häfen unter der Bedingung aus, dass sie als Abfall deklariert werden und in der EU entsorgt werden müssen.

Diese Schiffe werden dann aber erst in internationalen Gewässern als Abfall deklariert. Dann steuern sie Indien und Bangladesch an, und da werden die Menschen mit dem Abwracken dieser Schiffe gequält. Das ist unwürdig.

In so einer Situation gilt es, das Potenzial unserer deutschen Werften zu nutzen und innovative Strategien für das Abwracken von Schiffen zu entwickeln. Wir haben zig Ölplattformen und Gasförderstrukturen in der Nordsee, deren Nutzung bald ausläuft und die entsorgt werden müssen. Einige erinnern sich vielleicht noch an das Greenpeace-Shell-Spektakel, das wir einmal hatten. Das ist ein riesiges ökologisches Problem. Hier wären wir – in dem Sinne, die Krise einmal als Chance zu nutzen – gut aufgestellt, die Arbeitsplätze in Deutschland innovativ zu nutzen, um ökologische Probleme sozial und auf einem hohen technischen Standard zu lösen. Es wäre Aufgabe der Bundesregierung, sich über so etwas Gedanken zu machen.

Die Flaggenfrage ist schon angesprochen worden. Die deutschen Reeder haben international eine machtvolle Stellung. Wir sind die „Größten“ auf der Welt, was die bereederten Schiffe angeht. Unter deutscher Flagge fährt allerdings nur eine Minderheit. Deshalb ist das, was Frau Wetzel gesagt hat, richtig: Wir müssen uns ehrgeizige Ziele setzen. Die Subventionen, die den deutschen Reedern gegeben werden, um ihnen einen Vorteil zu verschaffen, müssen sich in von Deutschland bereederten Schiffen niederschlagen. Es müssen Arbeitsplätze auf Schiffen unter deutscher Flagge geschaffen werden, auf denen die ökologischen und sozialen Standards eingehalten werden. Das ist eine soziale Politik. Eine solche Politik wird von uns immer unterstützt.

Es ist überhaupt gar keine Frage – da bin ich voll dabei –, dass wir unsere Forschungsstandorte stärken müssen. Wir haben weltweit führende Forschungsstandorte: IFM-GEOMAR in Kiel und AWI in Bremerhaven. Wir haben dort eine hervorragende technische Ausrüstung. Diese Institute sind weltweit Klasse. Wir müssen das auch bei der Ressourcenförderung nutzen. Ich finde, das ist eine wichtige Aufgabe. Wir Grüne sagen: Ja, man muss darüber reden. Wir wollen aber auch über die Kriterien und die Bedingungen diskutieren. Gashydrate sind nicht automatisch die beste Antwort auf die Energiekrise. Das Gefahrenpotenzial ist nämlich sehr groß. Trotzdem muss man sich diesen Fragen nähern.

Lassen Sie mich ein Letztes dazu sagen, wie man diese Krise als Chance nutzen kann. Wir haben schon vor der Krise bei den Frachtraten eine fallende Tendenz gehabt. Man hat schon vor der Krise mit Schiffen kaum noch Geld verdient, eben weil es strukturelle Probleme in diesem Bereich gibt. Deshalb ist es natürlich wichtig, unsere Häfen auszubauen. Wir müssen die Verkehre vernünftig organisieren.

(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Wie wollen Sie denn reinkommen?)

Dazu sage ich Ihnen Folgendes: Wir führen seit Jahren eine Debatte über die Hinterlandanbindung der Häfen. Wir kommen aber überhaupt nicht voran. Wir müssen die Waren nicht nur in die Häfen schaffen, sondern sie auch aus den Häfen rausschaffen. Jeder, der weiß, was in den Häfen passiert, weiß auch, dass das Problem darin besteht, die Waren aus den Häfen herauszubekommen.

(Ingbert Liebing [CDU/CSU]: Sie verhindern doch den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur!)

Wir haben Hamburg als Eisenbahnhafen. Das ist sehr gut. Aber wir brauchen für Hamburg und Bremerhaven eine vernünftige Anbindung an die Eisenbahn. Der Ausbau der Knotenpunkte – das wissen alle, die sich mit der Materie ein bisschen beschäftigen – ist das zentrale Thema. Wir brauchen keine neuen Autobahnen, sondern müssen die Hinterlandanbindung der Häfen über die Schieneninfrastruktur ausbauen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Hans-Michael Goldmann [FDP]: Ja zu Y?)

– Herr Goldmann, ich weiß das wohl. Ich wurde in Leer geboren. Von daher müssen Sie mich nicht katholisch machen. Ich kenne mich an der Küste relativ gut aus, nicht nur in Leer, nicht nur Ostfriesland, sondern auch in Hamburg und Schleswig-Holstein. Ich habe dort überall schon gewohnt. Für jemanden aus Papenburg ist das vielleicht ein weiter Weg.

Es ist nun einmal so, dass wir eine andere Verkehrsinfrastruktur brauchen.

(Hans-Michael Goldmann [FDP]: Was sagt ihr denn zur Y-Trasse?)

Dafür muss Geld ausgegeben werden. Die Leute dürfen nicht länger vertröstet werden. So sieht Gestaltung der Zukunft aus. Dann kann man die Krise als Chance nutzen. Das unterstützen wir.

Danke.



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