Menü

Jährliche Strategieplanung der EU-Kommission für 2010

23.04.2009 Rede Deutscher Bundestag

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Gestatten Sie mir zunächst eine Bemerkung zum Verfahren und zu dieser Debatte. Ich gehöre mit anderen Obleuten zu denen, die sich dafür eingesetzt haben, dass wir diese Strategiedebatte über die Planung der Europäischen Union jährlich durchführen. Ich finde das richtig. Es zeigt, dass europäische Themen im Deutschen Bundestag eine große Relevanz haben. Diese Debatte zeigt auch – das hat im Grunde der Beitrag von Frau Dyckmans deutlich gemacht –, dass wir eigentlich hier keine Generaldebatte führen müssen. Vielmehr wäre es besser, wir würden diese Debatte – ähnlich wie eine Haushaltsdebatte – anhand der Politikfelder der Strategieplanung splitten und einzeln darüber debattieren. Das würde das von den Europapolitikern häufig beklagte Problem, dass die Fachpolitiker zu wenig in die europäische Politik integriert sind, lösen. Solche Strategiedebatten würden es erfordern, dass wir uns ein bisschen mehr Zeit nehmen, um die Themen ausführlich zu behandeln; Frau Dyckmans hat dies heute am Beispiel der Justizpolitik so gemacht. Mit den anderen Politikfeldern, zum Beispiel der Umweltpolitik, der Außenpolitik und der Wirtschaftspolitik, müsste man das auch so machen.

Wenn wir als Deutscher Bundestag auf die Strategieplanung der EU-Kommission und darauf, wie die Bundesregierung dazu Stellung nimmt, tatsächlich Einfluss nehmen wollen, dann sollten wir diese Debatten so führen, dass wir am Ende als Deutscher Bundestag zu den einzelnen Kapiteln eine Stellungnahme abgeben und die Bundesregierung verpflichten, die Strategieplanung einschließlich des Kommentars des Bundestages und nicht nur ihre eigene Position zu vertreten.

Ich stimme dem Kollegen Lamp zu, dass diese Debatte eine Konsequenz haben muss: Wir müssen die Bürgerinnen und Bürger aufrufen, zur Europawahl zu gehen. Diese Wahl ist von zentraler Bedeutung. Die Europäische Union ist alternativlos, und wir müssen sie stärken. Wir Grüne haben uns immer dafür ausgesprochen. Der Lissabon-Vertrag ist ein Instrument, um die Europäische Union zu stärken. Aber die Europäische Union mit ihrem Parlament und ihrem Rat ist natürlich eine politische Veranstaltung. Uns geht es darum, ihre Politik so zu ändern, dass die sozialen Rechte der Bürgerinnen und Bürger eine größere Rolle spielen. Das, was Kollege Ulrich dazu sagte, kann ich in Teilen unterstützen, allerdings nicht in allen Teilen.

Wir brauchen eine Europäische Union, die die Sozialpolitik nicht nur als Stichwort behandelt, sondern sich dafür einsetzt, europaweite Mindeststandards zu definieren. Wir brauchen auch auf europäischer Ebene eine Einigung über die Einführung von Mindestlöhnen. Auch uns in Deutschland hat dieses Thema in den letzten Wochen sehr beschäftigt. Wir wollen die Forderung „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit!“ auf europäischer Ebene nicht nur institutionalisieren, sondern auch durchsetzen. In den einzelnen Nationalstaaten werden diese Themen durchaus behandelt. Daraus müssen allerdings europäische Standards werden. Im anstehenden Wahlkampf ist es wichtig, dass wir für die Rechte der Menschen in so-zialen Fragen kämpfen und deutlich machen, wer die Bremser sind. Die Diskussion über Europa ist eine politische Debatte. Dabei geht es allerdings auch um die Umweltpolitik auf europäischer Ebene.

Wenn man sich die Strategieplanung für Umwelt- und Klimaschutz, also für eines der größten Probleme sowohl innerhalb der Europäischen Union als auch global, ansieht – ich will jetzt nicht über all das sprechen, was in den letzten Jahren geschehen ist und worüber wir sicherlich sehr unterschiedliche Auffassungen haben –, stellt man fest: Im Grunde gibt es für diesen Politikbereich nur noch zwei kleine Ansätze. Zum einen geht es darum, den Aktionsplan Energieeffizienz durchzusetzen – das ist zwar richtig; es handelt sich dabei aber nur um einen sehr geringen Teil –, zum anderen geht es darum, noch einmal neu zu überlegen, ob die transeuropäischen Energienetze vernünftig organisiert sind, und diese eventuell zu reformieren. Diese beiden Ansätze sind zu wenig, um der Bedeutung der Umwelt- und Klimapolitik in der Europäischen Union und auf globaler Ebene gerecht zu werden. Wir brauchen in Europa ehrgeizigere Ziele, die wir in den Planungen durchsetzen müssen. Hierbei erwarte ich von der Bundesregierung Unterstützung.

In ihrer Stellungnahme zur Strategieplanung hat die Bundesregierung sogar diese winzigen Ansätze noch unter einen Finanzierungsvorbehalt gestellt. Herr Gloser, Sie möchte ich dafür nicht verantwortlich machen. Unter der Ägide von Frau Merkel hat die Bundesregierung im letzten Jahr allerdings sehr häufig als Bremserin fungiert, gerade im Bereich der Klimapolitik und im Hinblick auf die Autoindustrie.

Sie haben im Jahre 2008 eine Klimapolitik betrieben, durch die die großen CO2-Schleudern geschont wurden. Sie haben sich dagegen gewehrt, diese Politik zu ändern. Im Rahmen der Finanzkrise haben Sie nun feststellen müssen, welche Folgen diese Politik hat. Ich erwarte, dass Sie daraus Konsequenzen ziehen und auf europäischer Ebene eine ehrgeizigere Umwelt- und Klimapolitik formulieren, nicht im Sinne der großen Automultis, sondern im Interesse der Menschen, die unter dieser Krise, die auch eine Umweltkrise ist, zu leiden haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt noch einen weiteren wichtigen Punkt, den ich zum Schluss ansprechen möchte – Kollege Lamp und andere haben darauf bereits hingewiesen –: Wir brauchen eine stärkere gemeinsame Außenpolitik der Europäischen Union. Was die Zusammenarbeit mit unseren östlichen Partnern betrifft, gibt es sehr viele Probleme, die zu Recht angegangen werden. Unsere Beziehungen zu unseren südlichen Partnern im Mittelmeerraum befinden sich in einer Blockade. Diese Probleme müssen überwunden werden.

Herr Staatsminister Gloser, die Bundesregierung ist aufgefordert, in ihrer Planung darauf hinzuwirken, dass die EU in Zukunft im Hinblick auf ihre Beziehungen zu den östlichen Partnerländern und zu den Partnern im Mittelmeerraum sowie bezüglich der Nahostkrise eine größere Rolle spielt. Ich erwarte von der Bundesregierung, dass sie sich auch in ihrer Stellungnahme zur Strategieplanung zu diesem Themen äußert.

Bürgernahe Politik in Europa heißt auch, dass die Rechte des Einzelnen gegenüber staatlichen Strukturen gestärkt werden müssen. Was ist im Bereich Telefon-überwachung überlegt worden! Wie sind da Rechte des Einzelnen staatlichen Informationsstrukturen geopfert worden! So etwas werden wir nicht mitmachen. Hier sind die Rechte des Einzelnen, die Freiheitsrechte und die Informationsgrundrechte der Menschen, zu schützen.

Vielen Dank.

zurück