Menü

Europäisches Parlament stärken

23.04.2009 Rede Deutscher Bundestag

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Zur Klarstellung – auch für die Besucherinnen und Besucher dieses Hauses –: Unser Antrag, über den wir heute abschließend debattieren, ist am 13. Februar letzten Jahres eingebracht worden und hat nun wahrlich nichts mit dem Termin der Europawahl zu tun. Das gilt auch für den Antrag der FDP-Fraktion vom 4. Juni letzten Jahres. In diesen Anträgen wird ein ganz konkretes Problem der europäischen Politik zum Anlass genommen, um zu einer Lösung zu kommen. Ich gebe Ihnen recht, Diether Dehm: Dieses Problem ist gegen die EU populistisch benutzbar. Die Linke hat hier den populistischen Sermon abgelassen, den sie unsinnigerweise immer zum Lissabon-Vertrag vorträgt. Uns ging es aber um den Wanderzirkus, den das Europäische Parlament veranstaltet. Dieser ist, populistisch gesehen, extrem benutzbar; denn es geht um Geld, um die Umwelt und darum, dass Ressourcen vergeudet werden, was Sie nachrechnen können. All dies geschieht aus keinem nachvollziehbaren Grund. Es wird ohne Ende Manpower vergeudet.

Ich bitte einmal alle Kolleginnen und Kollegen, sich vorzustellen, dieser Deutsche Bundestag würde jede zweite Sitzungswoche in Bonn abhalten. Stellen Sie sich vor, wir würden diesen Wanderzirkus nachmachen. Das würde enorme Personalressourcen erfordern. In Deutschland würde eine heftige Debatte ausgelöst, wenn der Bundestag mit seinen Tausenden von Mitarbeitern hin- und herziehen würde und Wagenkolonnen mit Akten auf deutschen Straßen unterwegs wären.

Es gäbe auch historische Gründe dafür, dass der Bundestag zum Beispiel in Berlin, in Weimar, in Bonn, in Frankfurt – wo auch immer – Dependancen hätte.

Es gibt ebenso viele gute Gründe, warum das Europäische Parlament in Straßburg tagt. Es gäbe für mich auch gute Gründe dafür, dass das Europäische Parlament nach der Wiedervereinigung Europas von nun an in Prag tagt. Es gibt viele Städte, die eine europäische Geschichte haben und die sich deshalb als Standorte für das Europäische Parlament qualifizieren.

Darum geht es in dieser Debatte aber nicht. Es geht darum, dass die Art und Weise, wie wir die europäische Politik organisiert haben, extrem bürgerfeindlich und parlamentsfeindlich ist.

Sie macht dieses Parlament sehr angreifbar; denn Sie können keinem Menschen hier auf der Tribüne erklären, warum die Abgeordneten des Europäischen Parlaments ständig hin- und herfahren. Dieses Hin und Her verursacht Kosten, nimmt Arbeitszeit in Anspruch, ist der Grund für einen jährlichen CO2-Ausstoß von 20 000 Tonnen, erzielt aber überhaupt keinen Effekt. Das macht die Europäische Union sehr angreifbar. Dies sollten wir verhindern.

Es gibt keinen Grund, das so zu machen. Von mir aus können wir die Initiative aus Straßburg – „One City“ heißt sie jetzt – unterstützen, in der gefordert wird, dass das Parlament ab sofort in Straßburg tagt. Aus Schweden kommt eine Initiative, in der man sich dafür einsetzt, dass alles von nun an in Brüssel stattfindet. Beide Initiativen haben ihre Berechtigung.

Es müssen aber Konsequenzen gezogen werden. Die Bürgerinnen und Bürger haben es satt, dass dies nicht geschieht. Zu sagen, dass, wenn man sich nicht einigt, alle Geld bekommen und alle Standorte erhalten bleiben, ist der falsche Ansatz. Wir müssen uns entscheiden. Wir als Deutscher Bundestag müssen uns klar und eindeutig dazu äußern.

Ich finde es völlig richtig, dass die FDP sagt: Auch das Europäische Parlament muss dazu eine Position finden und darüber abstimmen. – Wir wissen aber ganz genau, dass die Abstimmungen im Europäischen Parlament den derzeit gültigen Vertrag letztendlich nicht ändern.

Die Position der nationalen Parlamente ist daher wichtig. Wir führen zwar viele Debatten über Subsidiarität, also darüber, wer wofür zuständig ist. An dieser Stelle müssen aber auch die nationalen Parlamente und ihre Regierungen, die darüber entscheiden, welche Position sie einnehmen, Stellung beziehen. Auch wir als natio-nales Parlament müssen entscheiden, welchen Auftrag wir unserer Regierung in diesen Verhandlungen geben. Deshalb ist beides notwendig.

Diese Debatte ideologisch zu führen, in den Ruf von Populismus zu stellen und sie dazu zu nutzen, alles, was man einmal zum Thema Europa sagen wollte, loszuwerden, halte ich für falsch. Wir müssen uns angewöhnen, die Probleme europäischer Politik Punkt für Punkt und sachgerecht zu diskutieren. Wir müssen also auch in diesem Punkt entscheiden. Dafür sprechen wir uns in unserem Antrag aus. Demokratie kostet Geld. Aber Demokratie ist auch dafür verantwortlich, dass mit Steuergeldern verantwortlich umgegangen wird und dass Steuergelder nicht verschleudert werden. An dieser Stelle aber werden Steuergelder durch wahnsinnig hohe Kosten verschwendet. Das ist mit grüner Politik nicht vereinbar. Deshalb haben wir diesen Antrag gestellt, und ich hoffe, dass in 20 Jahren rückblickend gesagt wird: Die Grünen haben mit ihrem Antrag wieder einmal recht gehabt.

zurück