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Südkaukasus

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die alltägliche Vorstellung der Region des Südkaukasus wird bis heute geprägt vom Krieg in Georgien im August 2008 und seinen Folgen. Wenn man sich die Situation an den Grenzen von Südossetien und Abchasien anschaut, dann stellt man fest, dass sie dramatischer ist, als es häufig in Westeuropa wahrgenommen wird. Vor zwei Wochen begann Russland, dauerhaft Truppen an diesen Grenzen zu Georgien zu stationieren. Zur Recht kritisierte die Europäische Union dies als eine weitere Verletzung der Waffenstillstandsvereinbarung.

Wir brauchen eine Deeskalation, weil sich an den Grenzen Georgiens ein neuer Konflikt aufbaut. Wir müssen sehr viel sensibler als in der Vergangenheit darauf achten, dass dieser Konflikt nicht wieder heißläuft. Das heißt unter anderem auch, dass wir ein großes Interesse daran haben müssen, dass dort internationale Beobachtungsstrukturen aufgebaut werden, die mehr Eingriffsmöglichkeiten bieten, als es bei unserer EU-Monitoringmission bisher der Fall ist. Wir brauchen dort eine sehr viel bessere Präsenz. Noch bis Mitte Juni 2009 läuft derzeit das Mandat für die unbewaffnete UN-Beobachter-Mission UNOMIG in Abchasien. Sie sollte verlängert und auf Süd-Ossetien ausgedehnt werden. Denn die UN und ihr Sicherheitsrat sollten dafür zuständig sein. Vermittlung erfordert Neutralität und Ergebnisoffenheit auf den Grundlagen des Völkerrechts.

Ungeachtet der notwendigen Beobachtung des Konfliktgebietes und der diplomatischen Suche nach einer dauerhaften Lösung steht noch immer die Klärung der Vorgänge im August 2008 aus. Mit Aufmerksamkeit erwarten wir die demnächst anstehenden Ergebnisse der auch von uns geforderten unabhängigen Untersuchungskommission unter Leitung der Schweizer Diplomatin Heidi Tagliavini.

Unsere, die Beziehungen der Europäischen Union zu den Ländern des Kaukasus sind eng und intensiv. Die Östliche Partnerschaft wird sie noch vertiefen und die Erwartungen vieler dieser Länder gerade an Deutschland sind hoch. Deshalb begrüßen wir es, dass die Bundeskanzlerin im Gegensatz zu vielen anderen westeuropäischen Regierungschefs an diesem Treffen teilgenommen hat. Wir haben allerdings kein Verständnis dafür, dass diese Länder in der Abschlusserklärung nicht, wie ursprünglich im Entwurf vom Ratsvorsitz vorgesehen, als europäische Länder bezeichnet werden. Falls dies mit aktiver deutscher Beteiligung bzw. aufgrund deutscher Intervention verändert wurde, war es ein schwerer Fehler, den wir scharf verurteilen. Diese Länder sind unsere europäischen Partner und die Beziehungen beruhen auf den Werten der gemeinsamen Mitgliedschaft im Europarat. Und die Einhaltung dieser Werte sind die Grundlage für Frieden und Stabilität in dieser Region.

Territoriale Integrität ist eine zentrale Säule des Völkerrechts. Das gilt für die Lösung des Konflikts zwischen Russland und Georgien genauso wie für den Konflikt zwischen Aserbaidschan und Armenien. Aber wir werden diese Konflikte nur lösen können, wenn die Selbstbestimmungsrechte von Minderheiten sichergestellt werden und wenn die Bereitschaft zu sehr weitgehenden Autonomieregelungen ehrliches Anliegen aller Konfliktpartner ist. Solange es hunderttausende Flüchtlinge gibt, vor allem in Georgien und Aserbaidschan, bleiben die Wunden offen. Für sie muss mehr investiert werden und vor allem muss die Rückkehr in ihre Heimat ermöglicht werden.

Die jüngsten Entwicklungen in den Beziehungen zwischen der Türkei und Armenien geben Anlass zu der Hoffnung, dass dies auch positive Wirkung auf den direkten Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan, aber auch für die Region als Ganzes, entwickeln kann.

Eine Schlüsselrolle zur Lösung all dieser Konflikte wird Russland spielen. Deshalb ist die Integration Russlands in internationale Konfliktlösungsstrategien notwendig. Die EU muss dabei in allen Verhandlungen mit Russland aber deutlich machen: Es geht nicht um die Aufteilung in Einflusszonen. Es geht um die eigenständige, freie und demokratische Entscheidung jedes dieser Länder über seine eigene Zukunft. Dabei ist ökonomischer Druck genauso Fehl am Platz wie politische oder militärische Provokation.

Deshalb ist es richtig, die Art der russischen Militärpräsenz in Südossetien zu kritisieren, aber deshalb war es zumindest unklug, jetzt ein Manöver der NATO in Georgien abzuhalten. Das NATO-Argument langer Planung und Bekanntheit zieht nicht, denn inzwischen hat immerhin ein Krieg stattgefunden. Die Manöver geben zum jetzigen Zeitpunkt, noch nach einem angeblichen oder vermeintlichen „Militärputsch“ in Georgien, unnötige Gelegenheit zur politischen Instrumentalisierung.

Alle Länder des Südkaukasus verdienen unsere Unterstützung. Sie ist ebenso notwendig wie die eigenen Anstrengungen der Menschen in den drei Ländern, damit die Wertegemeinschaft des Europarates und die Werte der Europäischen Union dort auch erfolgreich und dauerhaft wirksam werden können.

Vielen Dank!

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