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Bedrohung der Meeresumwelt

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Meere sind für alle Länder Europas von zentraler ökonomischer und ökologischer Bedeutung: Circa zwei Drittel der europäischen Außengrenzen werden von Küstenlinien gebildet, 22 der 27 EU-Mitgliedsländer sind Insel- oder Küstenstaaten, und die Fläche der EU-Hoheitsgewässer ist größer als das kontinentale Hoheitsgebiet der EU. Fast die Hälfte aller EU-Bürger lebt in Küstenregionen. Sowohl ihre Lebensqualität als auch ihr Lebensstandard sind abhängig vom Zustand der Meere und einer nachhaltigen Nutzung dieser Ressource. Der Rückgriffsmöglichkeit auf die Ressource Meer haben wir einen erheblichen Teil unseres heutigen Wohlstandes auf dem europäischen Kontinent zu verdanken. Andererseits war es genau diese Nutzung, die große Teile der sensiblen maritimen Ökosysteme an den Rand des Zusammenbruchs gebracht hat. Unsere Meere sehen sich heute mannigfaltigen Bedrohungen ausgesetzt: Zunehmende Schadstoff- und Lärmemission durch die Schifffahrt, eine Überdüngung und Überfischung, eine zunehmenden Verbauung der Küsten etc. haben bereits heute zu teilweise irreparablen Schäden geführt. Durch die exzessive Nutzung unserer Meere laufen wir Gefahr, den erst durch sie ermöglichten Standard einer hohen Lebensqualität zu gefährden.

Mit dem „Europäischen Tag der Meere“ macht die EU deutlich, dass sie die Herausforderungen, unsere Meere effektiv zu schützen, erkannt hat und die Herausforderung ernst nimmt. Der „Europäische Tag der Meere“ ist elementarer Bestandteil der Strategie für „eine integrierte Meerespolitik für die Europäische Union“. Diese lässt sich im gleichnamigen Blaubuch und dem darauf aufbauenden Aktionsplan der Kommission vom 10. Oktober 2007 finden. Dort heißt es: Die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, der Schutz der Meeresumwelt und die Interessen und Lebensgrundlagen derjenigen, die von der maritimen Wirtschaft abhängig sind oder an der Küste wohnen, sollen integrale Bestandteile einer ganzheitlichen Betrachtungsweise sein. Dementsprechend enthalten Blaubuch und Aktionsplan folgende Aktionsbereiche: Optimale Nachhaltigkeit bei der wirtschaftlichen Nutzung der Meeresressourcen, Aufbau einer Wissens- und Innovationsgrundlage, verbesserte Lebensqualität in den Küstenregionen, Ausbau der Position Europas in den internationalen Organisationen und Abkommen und größere Aufmerksamkeit für ein maritimes Europa in der Öffentlichkeit.

Um die Bedeutung unserer Meere für unser tägliches Leben stärker ins Bewusstsein zu rufen und vor allem dem letzten Punkt, einer größeren Aufmerksamkeit für ein maritimes Europa, gerecht zu werden, haben Europäische Kommission, Rat und Parlament vor zwei Jahren den „Europäischen Tag der Meere“ ins Leben gerufen. Zugleich wurden alle, ich betone, alle Mitgliedstaaten, Regionen, nichtstaatliche Organisationen, Wissenschaftseinrichtungen sowie alle Organisationen und Institutionen, die irgendwie mit dem Meer zu tun haben, aufgerufen, sich mit eigenen Aktionen an dem „Europäischen Tag des Meeres“ zu beteiligen. Dieser Aufforderung sind viele Mitgliedstaaten, etliche Regionen, unzählige nichtstaatliche Organisationen und Wirtschafts- und Forschungseinrichten nachgekommen. Auch viele deutsche Bundesländer begehen in Kooperation mit Universitäten, Meeresforschungsinstituten und Organisationen den „Europäischen Tag der Meere“ am 20. Mai 2009.

Nur die Bundesregierung weigert sich bislang beharrlich, einen solchen „Europäischen Tag der Meere“ auch in Deutschland einzuführen und angemessen zu gestalten. Das ist mehr als traurig: Als Exportnation haben gerade wir besonders von der Bedeutung der Meere profitiert. Gerade wir sind es, die ein besonderes Interesse daran haben sollten, auch unseren zukünftigen Wohlstand zu sichern. Womit die Weigerung der Bundesregierung, einen solchen Tag auch in Deutschland einzuführen, zu begründen ist, bleibt weiter unklar. Der Hinweis darauf, man sei nicht imstande, einen solchen Tag in Deutschland zu begehen, da man sich auf europäischer Ebene so stark engagiere, ist peinlich und kann wohl kaum der Grund sein. Für mich bleiben nur zwei mögliche Erklärungen: Entweder hat die Bundesregierung die Bedeutung der Meere bisher nicht erkannt, womit sie sich ein Armutszeugnis ausstellen würde –, oder der wahre Grund ist der, dass es sich nach Meinung der Bundesregierung um die Initiative einer Oppositionsfraktion handelt, der man schon aus Prinzip nicht zustimmen will.

Liebe Vertreterinnen und Vertreter der Bundesregierung, um das noch einmal klarzustellen: Die Annahme, dass es sich hier ausschließlich um eine Initiative der Opposition handele, ist falsch. Wir, die Vertreterinnen und Vertreter der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen sind es lediglich, die Sie, die Bundesregierung, einmal mehr an die Bedeutung der Meere für unser Land und die von Ihnen eingegangenen Verpflichtungen innerhalb der EU erinnern müssen.

Hiermit fordern meine Fraktion und ich sie noch einmal mit Nachdruck dazu auf, den 20. Mai als den „Europäischen Tag der Meere“ auch in Deutschland einzuführen und angemessen zu gestalten. Ansonsten läuft die Bundesregierung nicht nur Gefahr, die gemeinsame Empfehlung der Europäischen Kommission, des Europäischen Parlaments und des Rates der Europäischen Union vom 14. Dezember 2007 zu missachten, sondern vergibt zudem die Chance, ein Bewusstsein für das maritime Erbe auf deutscher und europäischer Ebene zu schaffen und der Notwendigkeit des Schutzes der Meere den Platz einzuräumen, welche die Meere als unsere natürliche Lebensgrundlage verdienen.

Vielen Dank.

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