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EU-Nachhaltigkeitsstrategie

Dauerhafte Entwicklung ist Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können.

 

Dieser Satz der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung von 1987 ist heute richtiger denn je. Gerade in den letzten Tagen haben wir in den Zeitungen wieder über die Auswirkungen von nicht nachhaltigem Handeln gelesen: Der aktuelle "Klima-Risiko-Index" von Germanwatch und der Deutschen Welthungerhilfe zeigte, welche Länder am stärksten vom Klimawandel betroffen sind. Dies sind nicht die reichen und entwickelten Länder wie beispielweise die USA, die weltweit am meisten Treibhausgase verursachen, sondern es sind die ärmsten Länder der Welt: Somalia, die Dominikanische Republik und Bangladesch.

 

Der Klimawandel betrifft uns aber auch ganz direkt, dies haben uns Hurrikan "Katrina" und das Hochwasser in Bayern im letzten Sommer abermals vor Augen geführt. Solche Naturkatastrophen bedrohen nicht nur das Leben vieler Menschen, sondern sie verursachen auch Schäden in Milliardenhöhe. Naturkatastrophen werden immer häufiger und gewaltiger. Deshalb ist Klimaschutz Vorsorge, vermeidet noch größere und teurere Schäden und schafft wirtschaftliches Wachstum. Klimaschutz ist auch unsere Pflicht, wenn wir sicherstellen wollen, dass jetzige und künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse noch befriedigen können.

 

Klimawandel ist eine Folge nicht nachhaltiger Entwicklung. Dass wir dies dringend ändern müssen, zeigt die EU-Kommission in ihrer aktuellen Mitteilung zur EU-Nachhaltigkeitsstrategie, die auf dem EU-Gipfel in zwei Wochen überarbeitet werden soll.

Bündnis 90/Die Grünen begrüßen diese Mitteilung der Kommission als einen wichtigen Schritt zur Fortentwicklung der EU-Nachhaltigkeitsstrategie. Die anstehende Revision ist dringend notwendig; denn die derzeitige EU-Nachhaltigkeitsstrategie ist wirkungslos geblieben und war als Fragment aus verschiedenen Dokumenten kaum kommunizierbar. Widersprüchlich und unüberschaubar ist auch die blockierende Diskussion über das Verhältnis zwischen der Lissabonstrategie und der EU-Nachhaltigkeitsstrategie. Auch ist das Zurückbleiben der EU-Handlungsebene in den letzten Jahren immer problematischer geworden. So wurden zum Beispiel in der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie kritische Trends in der Energie- und Mobilitätspolitik angesprochen, aber um zu handeln, waren neben nationalen auch Maßnahmen auf EU-Ebene erforderlich.

Die Analyse der Kommission ist in vielen Punkten richtig: Noch immer dominieren nicht nachhaltige Trends, ob bei der Verkehrsentwicklung oder beim Umgang mit Ressourcen. Aber warum folgen dieser sehr kritischen Analyse keine angemessenen Handlungsvorschläge? Stattdessen werden faktisch keinerlei Weiterentwicklungen hinsichtlich der Zielvorgaben, der Indikatoren oder des Monitorings erreicht. Es fehlen Ziele und konkrete Maßnahmen im Aktionsplan. Damit fällt die Kommission sogar hinter den Stand von 2001 zurück. Gleichzeitig verstärkt die Kommission die nicht nachhaltige Entwicklung noch, indem sie ihre Politik mit der erneuerten Lissabonstrategie primär auf die Pfeiler Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum konzentriert und die Nachhaltigkeit dabei aushebelt.

Dies passt auch wenig zusammen mit den enormen Anforderungen, die die EU-Kommission an eine revidierte EU-Nachhaltigkeitsstrategie stellt. Danach soll sie Antworten auf die wachsenden Umweltbeeinträchtigungen, auf unbefriedigte soziale und wirtschaftliche Bedürfnisse und auf die Herausforderungen der Globalisierung liefern. Die nicht nachhaltigen Trends in den von der Kommission herausgearbeiteten sechs Schwerpunktbereichen sollen nicht weniger als umgekehrt werden. Damit wir dies aber auch können, fordert Bündnis 90/ Die Grünen dringend präzise Ziele und Umsetzungsschritte für eine überarbeitete EU-Nachhaltigkeitsstrategie. Wir erwarten, dass die Bundesregierung den Vereinbarungen des Koalitionsvertrags folgt und ambitionierte Nachhaltigkeitsziele bei der Revision der Strategie auf EU-Ebene fordert. Die Bundesregierung muss eine Vorreiterrolle bei den Verhandlungen und beim EU-Gipfel in zwei Wochen übernehmen. Denn es ist die Aufgabe der entwickelten Länder, die Idee einer nachhaltigen EU zu stärken und auch die anderen Mitgliedstaaten zu ermutigen, ambitionierte Nachhaltigkeitsziele zu verfolgen.

Die Bundesregierung muss sich für eine anspruchsvolle und umfassende Strategie mit konkreten Zielvorgaben, Indikatoren, und einem wirksamen Monitoring einsetzen. Die Ziele und Maßnahmen müssen besser aufeinander abgestimmt werden und hierbei müssen klare Prioritäten und Zeitpläne gesetzt werden. Die bereits 2001 definierten Ziele müssen dabei erhalten bleiben. Es muss sichergestellt werden, dass die Leitaktionen nicht nur Zusammenfassungen der bisher laufenden Vorhaben, sondern neue Handlungsvorschläge enthalten. Die wirtschafts- und arbeitspolitischen Zielsetzungen der Lissabonstrategie müssen entsprechend der Erklärung über die Leitprinzipien einer nachhaltigen Entwicklung auf den übergeordneten Kontext der EU-Nachhaltigkeitsstrategie bezogen werden. Der Cardiffprozess zur Integration von Umweltbelangen in alle Politikbereiche muss in enger Verknüpfung mit der revidierten EU-Nachhaltigkeitsstrategie fortgesetzt werden.

Im Schwerpunktbereich Klimawandel und saubere Energien müssen klare Vorgaben und Eckpunkte einer nachhaltigen Energie- und Klimaschutzpolitik formuliert werden. Die im Schwerpunktbereich Management der natürlichen Ressourcen dargestellte Belastung der natürlichen Umwelt und die damit einhergehende Gefährdung müssen durch ressourceneffizientes Wirtschaften auf der Basis ökoeffizienter Technologien und nachhaltiger Produkte und Prozesse verringert werden. Die Ziele und Maßnahmen hierfür müssen konkretisiert werden. Es muss analog zum Energiebereich auch nach Antworten zur Endlichkeit von Rohstoffen wie zum Beispiel von Metallen oder Phosphor gesucht und zu einem elementaren Bestandteil der Strategie gemacht werden. Der Schwerpunktbereich Verkehr muss an den Zielen einer Entkoppelung des Verkehrswachstums vom Wirtschaftswachstum und einer Senkung der Umwelt-und Gesundheitsfolgen und damit an einer nachhaltigen Mobilität für Europa ausgerichtet werden. Der Schwerpunktbereich Gesundheit muss auf einen präventiven und ganzheitlichen Ansatz konzentriert werden. Die EU muss zum Katalysator einer nachhaltigen Gesundheitspolitik werden, die in Gesundheit investiert, statt nur Krankheiten zu bekämpfen. Im Schwerpunktbereich soziale Ausgrenzung, Demografie und Migration muss der Grundsatz gelten, dass alle EU-Bürgerinnen und Bürger die Chance zur Teilhabe an Bildung und Erwerbsarbeit bekommen. Je rascher und mutiger wir uns den Problemen in diesem Bereich stellen, umso besser sind unsere Chancen, im Wettbewerb zu bestehen und das europäische Sozialmodell auf eine zukunftsfähige ökonomische Basis zu stellen. Es muss sichergestellt werden, dass mit einer konsequenten EU-Entwicklungs-, Umwelt- und Handelspolitik den im letzten Schwerpunktbereich genannten globalen Herausforderungen in Bezug auf Armut und Entwicklung begegnet wird. Die Globalisierung muss nachhaltig gestaltet werden, damit alle von ihr auch noch morgen profitieren können.

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