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EU-Mittelmeerpolitik

Rede deutscher Bundestag

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Die EU-Nachbarschaftspolitik spielt für die Außenbeziehungen der EU eine zentrale Rolle, denn die Stabilisierung und Demokratisierung unseres Umfeldes gehört zur ursprünglichen Idee des europäischen Integrationsprozesses als Friedensprojekt.

Die wenigsten Regierungen in den Ländern des Mittelmeerraums haben bisher ein Interesse an demokratischen Reformen gezeigt. Darauf muss die Nachbarschaftspolitik reagieren. Die Bedingungen für die Mittelvergabe müssen darauf eingestellt werden, Fortschritte bei der Garantie der Menschenrechte, der Stärkung des Rechtsstaats und der Demokratisierung der Gesellschaft zur Voraussetzung für weitere Förderungen zu machen. Wirtschaftliche Dynamik, so sie denn entsteht, erzeugt keinen Automatismus für politische Reformen.

Gleichzeitig ist eine Überprüfung der inhaltlichen Prioritätensetzungen des Mitteleinsatzes notwendig. Ein Schwerpunkt müssen Investitionen in Bildung und Forschung sein. Die Entwicklungshemmnisse in den EU-Nachbarschaftsstaaten des Barcelona-Prozesses sind nicht zuletzt Defiziten auf diesem Gebiet zu verdanken. Im Umkehrschluss heißt das: Demokratie, wirtschaftliche Entwicklung und wachsender Wohlstand als Voraussetzungen für Stabilität entstehen im Mittelmeerraum wie überall auf der Welt umso eher, je gebildeter und ausgebildeter die Menschen sind. Diese Erkenntnis muss Grundlage von Förderzielen und Mittelvergaben sein.

Eine weitere Voraussetzung für Erfolge in der Zusammenarbeit ist eine transparente und kontrollfähige Mittelverwendung über das Nachbarschafts- und Partnerschaftsinstrument ENPI. Dazu gehört natürlich auch die Evaluierung der Ergebnisse. Dies ist nicht nur eine technische Aufgabe. Institutionen, die sich als nicht effektiv oder kooperativ im Sinne der inhaltlichen Zielsetzung erweisen, können nicht auf dauerhafte Unterstützung rechnen. Das kann auch Regierungen betreffen. Gleichzeitig sind Initiativen aus der Zivilgesellschaft oft nicht nur unterstützungsbedürftig, sondern auch unterstützungswürdig. Und um dem möglichen Argument, in vielen Ländern sei die Zivilgesellschaft zu schwach, zuvorzukommen: Umso notwendiger ist ihre Förderung, denn ohne eine funktionierende Zivilgesellschaft können autoritäre und repressive Regime ohnehin nicht erfolgreich und dauerhaft überwunden werden.

Eine Anmerkung schließlich noch zum Nahost-Konflikt: Die EU muss sich auch unabhängig von der Nachbarschaftspolitik spätestens seit der Ausweitung des UNIFIL-Mandats deutlich stärker um einen Friedensprozess im Nahen Osten bemühen. Aber die Nachbarschaftspolitik kann auch dazu beitragen, die Bedingungen dafür zu verbessern. Ohne die Anerkennung einer von beiden Seiten akzeptierten Zwei-Staaten-Lösung, ohne Ablehnung des Terrorismus als Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele kann keine Regierung damit rechnen, von der EU-Nachbarschaftspolitik unterstützt zu werden.

Die deutsche sowie die EU-Politik müssen auch darauf gerichtet sein, die Kooperation in den jeweiligen Regionen zu stärken und zu unterstützen. Damit muss die Nachbarschaftspolitik ein deutliches Zeichen setzen, dass kooperative Ansätze auf Dauer profitabler sind, als eine nach ebenso kurzfristigen wie ungewissen Vorteilen strebende Wettbewerbspolitik zischen den Staaten, die potentielle Synergien verschenkt: Die regionale Kooperation, die Fähigkeit der einzelnen Staaten effektiv und friedlich mit seinen Nachbarn zusammen zu arbeiten und eine Interessengemeinschaft zu bilden, ist Vorrausetzung für jedwede Annäherung an die EU.

Vor diesem Hintergrund sprechen wir uns dafür aus, die ENP so weiterzuentwickeln, dass die östliche und südliche Dimension voneinander getrennt werden. Wir brauchen eine stärkere Differenzierung zwischen der Nachbarschaftspolitik für die osteuropäischen Staaten bis zum Kaukasus, die eine grundsätzliche Beitrittsperspektive haben, und einer Nachbarschaftspolitik für die südlichen und östlichen Mittelmeeranrainer. Für beide Räume sollten die Instrumente der Nachbarschaftspolitik stärker genutzt werden, um die Entwicklung der Zivilgesellschaft zu unterstützen und die Grundwerte der Demokratie zu fördern.

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