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Haushalt 2008 Einzelplan Auswärtiges Amt

Rede im Deutschen Bundestag

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die deutsche Außenpolitik bewegt sich immer stärker in dem Spannungsfeld zwischen einer eigenständigen, bilateral orientierten deutschen Außenpolitik und der Einbindung in die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union. Wenn wir unsere Ziele, unsere Interessen, unsere Werte in den außenpolitischen Konflikten durchsetzen wollen, dann brauchen wir – davon bin ich überzeugt – eine stärkere Einbindung unserer Außenpolitik in die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union. Der Außenminister unseres Landes ist aktiv dabei, das voranzutreiben.

Wenn man sich die Ergebnisse der europäischen Außenpolitik anschaut, muss man sagen: Es gibt Erfolge, es gibt eine gute Kooperation, zum Beispiel was den Nahostkonflikt angeht; aber auch Iran ist sicherlich ein Beispiel für eine gute Kooperation. Es gibt aber auch viele Schwachstellen in der europäischen Außenpolitik: Ich nenne nur Kosovo als Beispiel. Auch in der Energieaußenpolitik haben wir große Probleme, die wir lösen müssen. Wenn EU-Mitgliedstaaten wie Ungarn und Bulgarien dabei sind, das Fundament der Ressourcensicherung, die ein Teil der Energieaußenpolitik ist – für uns Grüne gehört viel mehr dazu –, zu zerstören, indem sie mit immer neuen Pipelines versuchen, die Gasvorkommen Russlands in ihr Land zu leiten, dann ist das ein Beispiel dafür, wie die EU-Mitgliedstaaten ihre außenpolitischen Interessen durch Vielstimmigkeit kaputtmachen.

Deshalb ist es wichtig, dass wir bei den zentralen Themen zusammenzukommen versuchen.

Ein großes Problem, das wir im nächsten Jahr lösen müssen, ist, glaube ich, das Verhältnis der Europäischen Union zu Russland. Es ist ein Kernpunkt vieler Konfliktfelder, die wir haben. Der Europäischen Union muss es gelingen – nicht nur wegen der Konflikte, die wir jetzt mit Polen hatten –, einen eigenen strategischen Ansatz, eine eigene Russlandpolitik zu entwickeln. Wir haben eine Zentralasienstrategie entwickelt. Wir haben den Außenminister in dieser Frage sehr unterstützt. Aber diese Zentralasienstrategie wird so lange zahnlos bleiben, solange sie nicht durch eine Russlandstrategie komplementiert ist. Deshalb ist es wichtig, dass in unseren Strategien die Ressourcenpolitik immer mit der Frage nach Demokratie und Menschenrechten verbunden wird. Das gilt gerade auch für Russland.

Wenn wir schon über eine europäische Energiepolitik sprechen, dann muss ich feststellen, dass mich das letzte Treffen unserer Bundeskanzlerin mit Herrn Sarkozy nicht besonders erfreut hat. Zentrales Thema war sozusagen der Versuch, eine konservative Politik zu gestalten, um die europäischen Lobbyinteressen im Atombereich zu stabilisieren und zu stärken. Das ist hinsichtlich einer nachhaltigen Energiepolitik im europäischen Rahmen kontraproduktiv.

Gestatten Sie mir noch eine weitere Bemerkung. Auch der sogenannte Rat der Weisen geht dramatisch in die falsche Richtung. Wenn man anfängt, wieder über Vertrauensbildung bei den Menschen in Europa nachzudenken, dann braucht man keine Gremien hinter verschlossenen Türen, sondern demokratisch legitimierte Strukturen, zum Beispiel einen Konvent, um die Europäische Union weiterzuentwickeln. Wir brauchen keine zusätzlichen Expertengremien, sondern eine offene, transparente und demokratische Debatte um die Zukunft Europas.

Ich komme zum letzten Punkt. Eines der zentralen Projekte des Reformvertrages war die Grundrechtecharta, in der viele soziale Grundrechte der Menschen in Europa verankert sind. Wenn ich jetzt in den Debatten höre, dass die Grundrechtecharta neu gewichtet und in ihrer Bedeutung abgewertet werden soll, dann gehen bei mir alle Warnlampen an.

Die Menschen in Europa brauchen die Grundrechtecharta als verlässliches Element zur Bildung der europäischen Identität. Wir alle sollten ein gemeinsames Interesse daran haben, dieser Grundrechtecharta einen hohen Rang in der europäischen Verfassung oder im Reformvertrag einzuräumen. Das dient unserer demokratischen Legitimation, aber auch dem Vertrauen in den europäischen Weg zur Lösung von Problemen.

Vielen Dank.



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