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Erneuerbare Energien

Rede für das Symposium „Erneuerbare Energien“ in Caracas

Sehr geehrter Herr Dick, sehr geehrter Herr Ramírez, sehr geehrter Herr Erdmann, sehr geehrter Herr Voigt. Sehr geehrte Damen und Herren.

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts steht nicht nur Venezuela vor einer Zeitenwende. Ging es Anfang des letzten Jahrhunderts um das Einlösen von Entwicklungsversprechen durch den ungebremsten Verbrauch von fossilen Brennstoffen, bekommen wir es jetzt weltweit mit den drastischen Folgen unserer fast ausschließlichen Nutzung dieser endlichen Rohstoffe zu tun. Die Emission von Treibhausgasen durch die Verbrennung fossiler Energieträger ist die Hauptursache der globalen Klimaerwärmung. Die Schäden, die der selbst gemachte Klimawandel verursacht, sind bereits heute gravierend und werden weiter zunehmen. Abgesehen von den ökologischen Folgen, die ein Absterben des Regenwaldes oder ein Ausbleiben des indischen Sommermonsuns nach sich ziehen würden, wären die sozialen und ökonomischen Auswirkungen in den betroffenen Ländern immens.

Klimaschutz heißt deshalb: CO2 vermeiden. Die globale Erwärmung wird nur dann zwei Grad Celsius nicht übersteigen, wenn der Ausstoß an Treibhausgasen bis 2050 halbiert wird. Die große Herausforderung ist, die Kausalität von wirtschaftlicher Entwicklung und Energieverbrauch zu durchbrechen. Dies erfordert in erster Linie eine Umstrukturierung der Industrieländer, der Hauptverursacher der Klimaproblematik, in nachhaltig wirtschaftende Gesellschaften. Andererseits erlaubt es die rasche ökonomische Entwicklung in den Schwellenländern nicht, diese ganz aus der Verantwortung zu nehmen.

Der Gewissheit, dass eine andere Energiepolitik nötig ist, um das Überleben der Menschheit zu sichern, müssen nun dringend Taten folgen. Die globale Energiewende kann meiner Überzeugung nach nur gelingen, wenn wir konsequent auf unerschöpfliche statt endliche Ressourcen setzen. Unerschöpflich und in allen Regionen der Welt ausreichend verfügbar sind die Erneuerbaren Energien: Sonnenstrahlung, Wind- und Wasserkraft, Biomasse, Erdwärme. Sie sind in der Lage, auch langfristig den steigenden Weltenergiebedarf zu decken. Und sie sind weltweit im Überfluss vorhanden. Die Sonne zum Beispiel strahlt jedes Jahr 15.000mal mehr Energie auf die Erde als weltweit verbraucht wird. Der Umbau der Energiewirtschaft ist keine Utopie. Fast alle Szenarien der Energieexperten münden in globalen Hochrechnungen, bei denen die Erneuerbaren Energien sehr gut wegkommen. Einige Länder, wie etwa Deutschland, setzen in ihren Energieversorgungskonzepten schon seit längerem auf Windkraft, Sonnenenergie und Biomasse und haben bereits Erfahrungen in der Anwendung dieser Technologien gemacht.

Deshalb, meine sehr geehrten Damen und Herren, freue ich mich sehr über die Gelegenheit, heute vor Ihnen zu sprechen und Ihnen von unserem erfolgreichen Weg in Richtung Erneuerbare Energien zu berichten. Um Potenziale und Nutzungsmöglichkeiten der Erneuerbaren Energieträger deutlich zu machen, möchte ich Ihnen als Erstes einen Überblick über die Energiepolitik in Schleswig-Holstein geben. Seit den 1990er Jahren wurden dort die Grundlagen für eine Energiewende hin zur Umstellung auf Erneuerbare Energien geschaffen. Um genügend Anreize für einen neuen Energiemarkt zu schaffen, sind vor allem geeignete Rahmenbedingungen erforderlich. Entscheidend dafür steht in Deutschland das seit 01.04.2000 eingeführte Erneuerbare-Energien-Gesetz. Wirkungsweise und Erfolge dieses zentralen Gesetzes werde ich Ihnen deshalb im Anschluss erläutern. Abschließend soll es um die Frage gehen, welche Lehren Venezuela aus der deutschen Erfahrung mit Erneuerbaren Energien ziehen kann.

Warum gerade Schleswig-Holstein, wenn es um die Erfolgsgeschichte der Erneuerbaren Energien in Deutschland geht? Energiepolitisch hat Schleswig-Holstein bereits früh mehrere Entwicklungen angestoßen, die dem nördlichsten Bundesland der Bundesrepublik Deutschland eine auch international beachtete Vorreiterrolle in Sachen Energiepolitik eingebracht haben. An dieser Erfolgsgeschichte war die rot-grüne Landesregierung der Jahre 1996 bis 2005 wesentlich beteiligt. Von 1996 bis 2000 habe ich in meiner Funktion als Umweltminister viele dieser Entwicklungen mit initiiert und kann Ihnen deshalb aus eigener Erfahrung berichten. Zur Veranschaulichung der seit Mitte der 1990er Jahre in Angriff genommenen Maßnahmen werde ich Ihnen nun einige Daten und Trends vortragen.

Die schleswig-holsteinische Landesregierung war eine er ersten in Deutschland, die nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986 den Ausstieg aus der Kernenergie gefordert und auch betrieben hat. Mit dem „Atomkonsens“ haben dann die Bundesregierung und die die Kernkraftwerke betreibenden Energieversorgungsunternehmen im Jahr 2000 vereinbart, schrittweise aus der Kernenergie auszusteigen. Dies bedeutet eine Stilllegung aller Atomreaktoren in Deutschland bis zum Jahr 2020. Darüber hinaus hatte sich die Landesregierung auf eine Energieverwendung festgelegt, die auf den drei Säulen Energieeinsparung, Effizienzsteigerung und Nutzung aller Erneuerbaren Energieträger stehen sollte. Die angestrebte Energiewende sollte durch die Überwindung der atomar-fossilen Großkraftwerksstruktur einen Beitrag zur Ressourcenschonung und zum Klimaschutz leisten. Weitere damit verbundene Ziele waren die Schaffung einer Vielzahl von modernen Arbeitsplätzen und die Stärkung der regionalen Wirtschaftsstruktur.

Schwerpunkt der Energiepolitik war die Windenergie. Die systematische Entwicklung dieser Energiequelle ist aufgrund der hervorragenden natürlichen Ausstattung des Landes mit ausgedehnten Küsten an Nord- und Ostsee am markantesten gelungen. Sonnenenergie und Biomasse blieben hingegen hinter ihren Möglichkeiten zurück.

Die Nutzungsanteile der Windenergie haben die Annahmen der Landesregierung seit Anfang der 1990er Jahre stets übertroffen. Zum Jahresende 2003 hatte sich die Nutzung der Windenergie von abzählbar wenigen auf 2.547 Windkraftanlagen mit einer Gesamtleistung von 1.952 Megawatt vervielfacht. Im Jahre 2003 wurde 3.030 Gigawattstunden Strom aus Windkraftanlagen erzeugt. Damit konnte bereits 25 Prozent des in Schleswig-Holstein verbrauchten Stroms aus Windenergie gewonnen werden.

Wie ist dieser bemerkenswerte Anstieg der Windenergienutzung gelungen?

Die Landesregierung hat in den Jahren 1996 bis 1998 rund ein Prozent der Landesfläche als Windenergieeignungsfläche ausgewiesen. Die Eignungsflächen waren Ende 2003 nahezu vollständig mit Windenergieanlagen bebaut, auf einigen dieser Flächen hatte bereits das Repowering eingesetzt. Mit dem so genannten Repowering – dem Ersatz vieler kleiner, leistungsschwacher durch größere und leistungsstärkere Windkraftanlagen – werden die Kapazitäten auf dem Festland bis über das Jahr 2020 hinaus deutlich gesteigert.

Neben der Onshore-Nutzung der Windenergie unterstützte die Landesregierung die leistungsintensivere Offshore-Erschließung von Windenergie im Meer und trieb die Errichtung von sechs Pilotprojekten in der Nordsee sowie einem in der Ostsee voran. Die bis jetzt ausgewiesenen Offhore-Windparks stehen im Jahr 2020 mit einer Kapazität von 3.150 Megawatt zur Verfügung. Jährlich werden dann auf dem Meer 12.000 Gigawattstunden erzeugt. Bis 2050 sollen die Windparks auf 13.200 Gigawattstunden Offshore und 9.350 Gigawattstunden an Land ausgebaut werden. Damit würde allein durch Wind mehr Strom erzeugt als heute mit zwei großen Atomkraftwerken.

Ein utopisches Energieszenario? Ich denke nicht. Es basiert auf existierenden Technologien. Aktuelle Berechnungen gehen davon aus, dass Schleswig-Holstein im Jahr 2020 70 Prozent seines Stromverbrauchs aus der Windkraft decken kann. Die Restmenge könnte Steinkohle zu acht Prozent, Erdgas-Kraft-Wärme-Kopplung zu drei Prozent und Wasserkraftstrom aus Norwegen zu 14 Prozent tragen. Bis zum Jahr 2050 scheint es sogar möglich, den Strombedarf zu 100 Prozent aus Erneuerbaren Energien zu produzieren und damit 60 Prozent der heutigen CO2-Emissionen einzusparen. Entscheidende Herausforderung für die Zukunft ist der Ausbau der Stromnetze: Wir brauchen ein europäisches „Super-Netz“ – damit wir den Strom aus Wind, Sonne und Wasserkraft quer durch Europa dorthin bekommen, wo er gerade gebraucht wird.

Neben der Windkraft sind Sonne, Biomasse und Erdwärme sowie eine verbesserte Energieeffizienz unsere weiteren Trümpfe. Unter der thermischen Nutzung der Sonnenstrahlung – der so genannten Solarthermie – wird die Umwandlung von Sonnenenergie mittels eines Kollektors in Heißwasser zur Brauchwasserbereitung beziehungsweise zur Heizungsunterstützung verstanden. In Schleswig-Holstein sind durch Landes- und Bundesförderung sowie der Ökozulage zur Eigenheimzulage bis Ende 2003 etwa 6.600 Solarthermieanlagen mit einer Kollektorfläche von circa 45.000 m2 installiert worden.

Unter der solaren Stromerzeugung – der Photovoltaik – wird die direkte Umwandlung von Sonnenenergie mittels Solarzellen in Strom verstanden, der ins Netz für die allgemeine Versorgung eingespeist werden kann. Im Rahmen des 100.000-Dächer-Programms der Bundesregierung sowie einer Landesförderung wurden in Schleswig-Holstein bis Ende 2003 etwa 1.000 Anlagen errichtet und in Betrieb genommen. Im Zusammenwirken von Landes-, Bundes- und EU-Förderprogrammen (Programm Leader II) wurden unter anderem die Realisierung von Solarthermieanlagen auf öffentlichen Gebäuden und die Nutzung von Photovoltaik in der Landwirtschaft unterstützt. Gezielte Informations- und Werbekampagnen haben ebenfalls dazu beigetragen, die Nutzungsmöglichkeiten der Solarenergie bekannt zu machen und ein deutliches Wachstum in diesem Marktsegment zu erreichen.

Während Windenergie, Wasserkraft und Photovoltaik der Stromerzeugung dienen, dient Biomasse entweder der reinen Wärmeerzeugung oder kann durch eine gekoppelte Erzeugung Strom und Wärme bereitstellen. Die energetische Nutzung von Biomasse erfolgt dementsprechend in unterschiedlichen Technologien wie etwa Biogasanlagen oder Holzhackschnitzelheizwerken.

Heutige Großkraftwerke verschwenden den größten Teil kostbarer Wärmeenergie. Dem gegenüber ist die Kraft-Wärme-Kopplung die Schlüsseltechnologie zur Energiewende. Blockheizkraftwerke, die Strom und Wärme produzieren, sollen deshalb in den kommenden Jahren konventionelle Heizanlagen ersetzen und zunehmend auch mit Biogas versorgt werden.

Anlagen zur Nutzung von Biomasse wurden in Schleswig-Holstein durch verschiedene Initiativen und Projekte gefördert: Im Rahmen der ersten gemeinsamen Initiative „Biomasse und Energie“ des Umwelt-, Landwirtschafts-, Wirtschafts- und Energieministeriums sowie der Energiestiftung Schleswig-Holstein wurden von 1996 bis 2000 30 Anlagen, in denen Reststoffe wie Holz, Stroh und Gülle verwertet werden, mit 7,35 Millionen Euro Fördersumme gefördert. In der Fortführung dieser gemeinsamen Initiative wurden unter Bereitstellung von Fördermitteln des Landes und der Europäischen Union seit 2001 weitere Biomasse-Projekte gefördert. Die Förderabwicklung erfolgte durch die Investitionsbank Schleswig-Holstein. Mit Mitteln aus dem EU-Förderprogramm für regionale Entwicklung (Interreg-III B-Programm „Nordsee“) wurden Maßnahmen zur Beratung, Information und Unterstützung von Projekten zur energetischen Biomassenutzung grenzüberschreitend im Nordseeraum umgesetzt.

Wie in den vorhergehenden Ausführungen deutlich wurde, ist die Energiepolitik der Bundesländer in weiten Teilen durch energiepolitische Vorgaben der Europäischen Union und des Bundes geprägt. Motor der positiven Entwicklung in Schleswig-Holstein waren das bundesweite Stromeinspeisungsgesetz aus dem Jahr 1990 sowie ab 2000 das Erneuerbare-Energien-Gesetz. Ersteres hat den Erneuerbaren Energien den Einstieg in den Energiemix geebnet, letzteres aus dem Nischendasein herausgeführt. Dieses wichtige Gesetz werde ich anschließend näher erläutern.

Das Land selber unterstützte die angestrebte Energiewende mit einer breiten Förderpolitik. Im Zukunftsinvestitionsprogramm Schleswig-Holstein wurden in den Jahren 2004 und 2005 jeweils 2,2 beziehungsweise eine Million Euro für investive Maßnahmen zur Energieeinsparung, Effizienzsteigerung und Nutzung Erneuerbarer Energien zur Verfügung gestellt. Im Rahmen dieses staatlichen Investitionsprogramms wurde als eines der größten Projekte beispielsweise der Ausbau des an der Nordsee gelegenen Hafens Husum zum Offshore-Service-Hafen gefördert. Damit wurden die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass Offshore-Windparks installiert und von dort aus gewartet werden können.

Die Energiepolitik der Landesregierung wirkte sich auch arbeitsmarkt- und technologiepolitisch positiv aus. Im Bereich der Windenergienutzung sind bisher direkt und indirekt rund 4.000 Arbeitsplätze im Land entstanden. Die Entwicklung der schleswig-holsteinischen Westküste als Zentrum für Erneuerbare Energien leistete einen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung dieser strukturschwachen Region. Namhafte Hersteller haben Fertigungsstandorte in Schleswig-Holstein. Die Hochschulen des Landes haben sich zu einem Kompetenzzentrum Windenergie zusammengefunden.

Eine solche Entwicklung, wie ich sie für Schleswig-Holstein dargestellt habe, kommt nicht von alleine. Appelle und Selbstverpflichtungen reichen dafür nicht aus. Nötig ist ein Wandel auf dem Gebiet der Energieerzeugung und der Energienutzung. Politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen sind dafür erforderlich. Aus welchem Grund? Die Errichtung von Anlagen zur Energiegewinnung mit Erneuerbaren Energien ist immer noch vergleichsweise teuer gegenüber den auf dem Markt etablierten konventionellen Technologien. Dies gilt allerdings nur unter Vernachlässigung der externen Kosten – also der Schäden, die konventionelle Energien durch Umweltzerstörung und Ressourcenverschwendung erzeugen. Die Nutzung der Primärenergieträger Sonnenstrahlen, Wind, Wasser, Erdwärme und Meeresenergien ist perspektivisch wesentlich billiger als die Nutzung der endlichen fossilen und atomaren Energieträger. Nur die Biomasse verursacht bei der Aufbereitung Kosten, die mit Kohle, Erdöl, Erdgas und Uran vergleichbar sind. Lediglich die Technologien wie Windräder, Biogasanlagen, Pflanzenölmotoren, Photovoltaik, solar- und geothermische Kraftwerke oder Meeresströmungskraftwerke müssen über eine industrielle Massenfertigung billig gemacht werden.

Damit der Durchbruch für eine industrielle Massenfertigung geschaffen wird, müssen politische Maßnahmen ergriffen werden. Ein reiner Markt ohne Schutz- und Fördermechanismen wird dies nicht von selbst schaffen können. Eine vorsorgende, verantwortliche Energiepolitik muss deshalb in den Markt regulierend eingreifen, um Nachhaltigkeit und Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Regulation heißt aber nicht Verhinderung des Marktgeschehens. Was wir brauchen sind Regeln, um die notwendigen Rahmenbedingungen für die Einführung der Erneuerbaren Energien zu schaffen.

Die entscheidende Rahmensetzung muss sein, dass Erneuerbare Energien für den Investor betriebswirtschaftlich rentabel sind. Damit wird ein Markt für diese neuen Technologien erzeugt, der Unternehmer zu Investitionen anreizt. Somit werden schrittweise die Kosten für die Produktion gesenkt und die Technologien auf dem Energiemarkt eingeführt. In einigen Jahren werden die Rahmenbedingungen dann überflüssig, da die Technologien selbst im Energiemarkt existieren können.

Solche Rahmenbedingungen werden in Europa sowohl von der Europäischen Kommission wie auch von den einzelnen Mitgliedsländern der Europäischen Union gesetzt. In Deutschland gibt es seit über sieben Jahren eine erfolgreiche Regelung für den Ausbau der Erneuerbaren Energien im Strombereich – das vorhin schon erwähnte Erneuerbare-Energien-Gesetz, kurz EEG. Die Bilanz des EEG kann sich sehen lassen. Deutschland hat es in wenigen Jahren mit dem EEG geschafft, den Anteil Erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung von 6,3 Prozent im Jahr 2000 auf gut 12 Prozent zu steigern – das ist einmalig. Die mit dem EEG für 2010 gesetzte Zielmarke – aus Gründen des Klima- und Umweltschutzes den Anteil Erneuerbarer Energien mindestens zu verdoppeln – ist damit bereits Mitte 2007 erreicht.

Wie funktioniert das Gesetz? Nach dem EEG ist jeder Betreiber der zu fördernden Anlagen berechtigt, seine Anlage an das öffentliche Netz anzuschließen und den erzeugten Strom einzuspeisen. Um einen wirtschaftlichen Betrieb der Anlagen zu ermöglichen, muss der zuständige Netzbetreiber für den eingespeisten Strom aus Erneuerbaren Energien einen im Gesetz festgelegten Vergütungssatz zahlen. Je nach den Herstellungskosten des Stroms erhalten die verschiedenen Arten der Erneuerbaren Energien Vergütungen in unterschiedlicher Höhe. Der für neu installierte Anlagen festgelegte Satz sinkt jährlich um einen bestimmten Prozentsatz, um einen Anreiz für Kostensenkungen zu schaffen. Die entstandenen Mehrkosten, das heißt die Differenz zwischen den Vergütungshöhen und dem Marktpreis für sonstigen Strom, werden als EEG-Umlage auf die Stromrechnung der Endverbraucher umgelegt. Gefördert wird die Erzeugung von Strom aus Wasserkraft, Deponiegas, Klärgas und Grubengas, Biomasse, Erdwärme, Windenergie und solarer Strahlungsenergie, zum Beispiel Photovoltaik.

Das EEG bildet dabei lediglich eine Rahmengesetzgebung, welche ohne Subventionen, sehr unbürokratisch, aber marktkonform wirkt. Die Kosten durch das EEG für den Verbraucher sind moderat und zahlen sich aus: Im Jahr 2004 hatten die Stromverbraucher etwa acht Prozent EEG-Strom in ihrem Strom. Dafür zahlten sie gegenüber Strom ohne EEG-Anteil 0,5 Cent mehr pro Kilowattstunde. Für einen Durchschnittshaushalt entstehen so Mehrkosten von weniger als 1,50 Euro im Monat. Im Gegenzug werden Importe von Brennstoffen sowie Umwelt- und Klimaschäden der Stromerzeugung – wie etwa Strahlung, Luftverschmutzung, Gesundheitskosten oder Umweltzerstörung – vermieden, die ansonsten der Steuerzahler tragen müsste. 2006 wurden allein durch das EEG 45 Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2) eingespart – das sind acht Millionen Tonnen mehr als 2005. Insgesamt haben die Erneuerbaren Energien 2006 über 100 Millionen Tonnen CO2 vermieden. Auch gesamtwirtschaftlich übersteigt der Nutzen des EEG damit schon heute deutlich seine Kosten.

Der in Deutschland eingeschlagene Weg, Stromerzeugung aus Erneuerbaren Energien zu fördern, ist nicht nur eine Erfolgsgeschichte für Klimaschutz und Energieversorgung, sondern auch für Arbeitsplätze. Mit ihm entwickelten sich die deutschen Hersteller zur weltweit führenden Kraft in diesem wichtigen globalen Marktsegment. Von den insgesamt rund 235.000 Arbeitsplätzen im Bereich der Erneuerbaren Energien sind mindestens 134.000 direkt auf das EEG zurückzuführen. Die Erneuerbaren Energien sind auch ein bedeutender Investitionsfaktor und eine Größe beim Export geworden. 2006 wurden neun Milliarden Euro in EEG-Anlagen in Deutschland investiert. Über 70 Prozent der hier produzierten Windanlagen wurde exportiert.

Aufgrund dieser einzigartigen Erfolgsstory ist das EEG das weltweit erfolgreichste und effektivste Instrument zur Förderung der Erneuerbaren Energien – und ist deswegen selbst zum Exportschlager geworden: Ob China, Frankreich, Spanien, Portugal, Brasilien oder Tschechien – zahlreiche Länder haben das EEG zum Vorbild eigener Regelungen gemacht.

Ähnliche Rahmenbedingungen sind auch in Venezuela möglich. In einem Land, das auf nachgewiesene Erdöl- und Erdgasvorkommen für mehr als ein ganzes Jahrhundert zurückgreifen kann, ist es sicher nicht einfach, ein Bewusstsein für die Grenzen, Kosten und Folgen fossiler Energieträger zu vermitteln.

Die Absicht, die Herausforderung Klimawandel anzunehmen, taucht in einzelnen Maßnahmen der venezolanischen Regierung bereits auf – etwa in der „Energie-Mission“ (spanisch: Misión Revolución Energética), die zu mehr Energieeffizienz aufruft und die Verwendung sparsamer Glühbirnen propagiert. Es gibt große Investitionen in öffentliche Verkehrssysteme, um den Autoverkehr zurückzudrängen, aber gleichzeitig Anreize für den Autokauf. Energie, insbesondere Benzin, ist fast umsonst, was den Pro-Kopf-Verbrauch in die Höhe treibt. Zum Vergleich: Ein Venezolaner hat 2005 im Durchschnitt mehr als viermal so viel Energie verbraucht wie ein Kolumbianer. Der 2005 verabschiedete strategische „Plan Siembra Petrolera“ (auf deutsch etwa „Plan zur Erdölaussaat“) sieht für die Zeit bis 2030 Rieseninvestitionen im Erdöl- und Erdgassektor vor, um neue Vorkommen im Land zu erforschen und zu erschließen, die Infrastruktur zur Öl- und Erdgasgewinnung auszubauen, neue Raffinerien zu errichten, neue Tanks und Pipelines anzulegen. Die Verwertung fossiler Energieressourcen wird damit auch zukünftig die finanzielle Grundlage für die Umsetzung innen- und außenpolitischer Vorhaben der venezolanischen Regierung bilden.

Erneuerbare Energien spielen für Venezuela bisher nur eine geringe Rolle. Eine Ausnahme ist die Wasserkraft, mit der über 70 Prozent der Elektrizität gewonnen wird. Die Vorteile der Nutzung Erneuerbarer Energien liegen dabei auf der Hand: Das Land verfügt über große Potenziale an Biomasse, Sonne, Wasser und Windkraft. Neben der Reduzierung der Treibhausgasemissionen schaffen die Erneuerbaren Energien Versorgungssicherheit und eröffnen neue Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten für viele Menschen. Da sie nur dezentral zu gewinnen sind, lenken sie neue Investitionen in ländliche Räume und tragen damit zur Armutsbekämpfung und zur regionalwirtschaftlichen Entwicklung bei.

Im Unterschied zu den Entwicklungsländern des Südens verfügt die venezolanische Regierung aufgrund der sprudelnden Erdöleinnahmen über genügend Finanzmittel, die in den Umbau des Energiesystems und in staatliche Förderprogramme investiert werden könnten. Verbindliche Reduktionsziele, Verbrauchsobergrenzen, politisch gesetzte Umstellungsziele, politisch koordinierte Planungssicherheit, Ausbau der Stromnetze und Forschungsanreize sind Rahmenbedingungen, die der Staat schaffen kann. Wie die deutsche Erfahrung zeigt, sind die besten Ergebnisse dann zu erzielen, wenn verschiedene staatliche Ebenen – neben der nationalen auch die regionale und die lokale – an der Umsetzung eines gemeinsamen Konzeptes arbeiten. Auf überstaatlicher Ebene könnte Venezuela in die angestrebte Energiekooperation mit seinen Nachbarn neben der Schaffung von Erdölallianzen und der Planung von Megaprojekten wie der „Pipeline des Südens“ stärker auch den Ausbau der Erneuerbaren Energien einbringen.

Klimaschutz ist aber nicht allein eine Sache des Staates. Auch gesellschaftliche Akteure müssen mitspielen, müssen überzeugt und eingebunden werden. Wirtschaft, Verkehr und private Haushalte müssen ihren Beitrag leisten. Aufgabe des Staates ist es, klar zu machen: Dieses Engagement lohnt sich, Klimaschutz und ökonomische Prosperität schließen sich nicht aus. Durch verbesserte Wärmedämmung, energieeffiziente Heizungsanlagen und die Nutzung von Erneuerbaren Energien lassen sich erhebliche Ressourcen sparen. Zukünftige Folgeschäden des Klimawandels werden verringert, neue Arbeitsplätze entstehen.

Wie lange der Erdölpreis weiter nach oben geht, ist offen. Fünf bis zehn Jahre wird der Boom anhalten, schätzen Experten. In dieser Zeit müssen die Weichen in Richtung einer langfristigen Entwicklungsstrategie gestellt werden, die weit mehr als die endlichen die unendlich zur Verfügung stehenden Rohstoffe in den Vordergrund stellt. Für Venezuela würde die Nutzung Erneuerbarer Energien die Chance zum Aufbau einer neuen Industrie und damit die Chance zur Reduzierung der Erdölabhängigkeit eröffnen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich danke Ihnen für Ihr Interesse an meinen Ausführungen. Ich freue mich jetzt auf Ihre Fragen und darauf, in der Diskussion ins Detail zu gehen.



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