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Änderung der vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union

Rede im Deutschen Bundestag

Tagesordnungspunkt 6

Regierungskonferenz zur Änderung der vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union und Unterrichtung der Bundesregierung entsprechend Ziffer VI der Vereinbarung zwischen Deutschem Bundestag und der Bundesregierung über die Zusammenarbeit in Angelegenheiten der Europäischen Union

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Man ist wieder einmal geneigt, hier eine Lehrstunde in politischer Strategie folgen zu lassen. Aber ich will nur einen Satz dazu sagen: Wir sind uns, glaube ich, alle einig, dass der jetzt vorliegende Reformvertragsentwurf schlechter ist als das, was alle in diesem Haus gemeinsam wollten. Denn von wenigen Ausnahmen abgesehen wollten alle in diesem Haus einen transparenten, geschlossenen Verfassungsvertragsentwurf. Wir haben das alle unterstützt.

Lieber Kollege Dehm, es stellt sich doch die Frage, ob man nicht mit der Zustimmung zu einem Kompromiss, bei dem einem nicht alles passt, letztendlich mehr erreichen kann, als wenn man durch Fundamentalopposition einen politischen Prozess kippt und am Ende – so wie jetzt – einen intransparenten Vertrag hat, der noch unbefriedigender ist. Deshalb glaube ich, dass Die Linke schlecht beraten ist und beraten war, mit anderen in Europa den Verfassungsvertrag zu bekämpfen und damit zu dem beizutragen, was wir jetzt haben. Das war nicht unser Wunsch und es war nicht unsere Intention. Wir wollten einen transparenten Verfassungsvertrag haben, und dazu stehen wir.

Aber, lieber Kollege Diether Dehm, ich stimme Ihrer Kritik am Verfahren und am vorliegenden Antrag der Koalition völlig zu. Ich finde diesen Antrag in der Sache – gemessen an dem Anlass, dass wir dieses Vertragswerk hier würdigen sollen – ausgesprochen peinlich. Das, was darin steht, ist in der Sache peinlich. Mit diesem Antrag will man – das kritisieren wir massiv – zu einem extrem späten Zeitpunkt, zu dem – Herr Kollege Dehm und Herr Kollege Löning haben das auch gesagt – die Verhandlungen praktisch abgeschlossen sind, ein Mandat erteilen. Das ist absurd.

Zudem ist dieses Mandat nicht mit politischen Vorgaben ausgestattet. Die einzige politische Vorgabe ist, dass die Regierung ein Mandat bekommt und uns am Ende eines Verhandlungsprozesses immer berichten soll, was sie tut. Es wird nicht gesagt, wofür man eigentlich steht und was die Regierung verhandeln soll. Damit ist die parlamentarische Vertretung in diesem Lande in einer Situation, in der man sich überlegen muss, ob die Regierung dieses Parlament eigentlich nur braucht, um Berichte zu erstatten. Das Parlament muss die Ziele und die Inhalte der Politik vorgeben. Das gilt auch für Europa. Deshalb finde ich diesen Antrag schlecht, und wir werden ihm auch nicht zustimmen.

Wir haben die Verhandlungsposition der Bundesregierung in allen Verhandlungsphasen immer unterstützt und glauben, dass die Bundesregierung viel dazu beigetragen hat, dass jetzt etwas dabei herauskommt, was unter den gegebenen Bedingungen in der Sache positiv ist. Was mir allerdings Sorgen macht, ist die Frage, wo die Bundesregierung zurzeit im europäischen Konzert spielt. Man muss sich zum Beispiel nur anschauen, wie der britische Untersuchungsausschuss massive Kritik an der Verhandlungsführung der Bundesregierung übt. Wir haben das auch immer getan. Der Europaausschuss sagt sehr deutlich, dass diese Form von Geheimdiplomatie, die wir an vielen Stellen kritisiert haben, dazu führt, dass die Debatte über diesen Vertragsentwurf nicht mehr vernünftig zu führen ist.

Dann ist die Frage nicht mehr, ob der Entwurf richtig oder falsch ist; diese Form von Geheimdiplomatie führt vielmehr dazu, dass das Thema populistisch ausgenutzt werden kann und eine vernünftige Debatte über den Vertrag und die Politik nicht mehr möglich ist. Deswegen verlangen wir eine transparente Debatte von Anfang an. Das sollte die Lehre daraus sein. Auch wenn wir in der Sache nicht auseinander sind: Das Verfahren war schlecht.

Wir haben von Herrn Krichbaum und anderen gehört, wie wichtig Zielsetzungen in der Energiepolitik oder in Bezug auf Europa als Handlungspartner im globalen Wettbewerb sind, in denen wir übereinstimmen. Aber die Art und Weise – Barroso hat das, wie ich finde, zu Recht kritisiert –, wie von Deutschland bzw. von Frankreich aus in der Energiepolitik statt einer Öffnung die Abschottung der Energiemärkte betrieben wird, ist kontraproduktiv für die wettbewerbsorientierte Energiepolitik, die wir brauchen.

Es ist kontraproduktiv, dass wir nicht in der Lage sind, zumindest im Bereich der Versorgungspipelines eine gemeinsame Energieaußenpolitik zu betreiben. Dass Russland bilateral die einzelnen europäischen Länder abgreift, kann nicht im Interesse der Europäischen Union sein. Deutschland spielt in dieser Debatte keine produktive Rolle. Wir haben viel Engagement aufgebracht. Aber derzeit habe ich das Gefühl, dass uns alle anderen – die Briten, Barroso oder Sarkozy – in der europapolitischen Debatte davonlaufen, und wir bilden gegenwärtig das Schlusslicht.

Ich würde mich freuen, wenn Herr Steinmeier und Frau Merkel gemeinsam das Engagement aus der Zeit der Ratspräsidentschaft –

– mein letzter Satz – wiederbeleben und in diesem Hause wieder verstärkt europäische Themen ansprechen – das gilt besonders für die Ostpolitik, einen Schwerpunkt ihrer Präsidentschaft, der ein bisschen ins Leere gelaufen ist –, Ziele vorgeben und diese auf der europäischen Bühne verwirklichen würden. Das ist ein Wunsch, der über die Verfassung hinausgeht, und es ist auch etwas, was im deutschen Interesse liegt.

Vielen Dank.

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