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Regierungserklärung zum EU-Reformvertrag

 

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Mitglied dieses Hohen Hauses, das keine Probleme hat, sich zu seiner linken Geschichte zu bekennen und sich noch immer als links empfindet, ist es etwas schwierig, hier einige Ausführungen lebend zu überstehen.

Ich möchte nur einen Satz zur Ehrenrettung der europäischen Linken sagen: Die Kommunistische Partei Italiens hat in der letzten Woche im italienischen Parlament beschlossen, den Reformvertrag der Europäischen Union zu ratifizieren.

Das macht deutlich, dass es in Europa Linke gibt, die ein Interesse daran haben, die Lebensverhältnisse der Menschen, die soziale Situation der Menschen nach einer Analyse der Wirklichkeit zu verbessern. Mit denen arbeiten wir gerne und sicherlich auch produktiv zusammen.

Die Bundeskanzlerin und der Außenminister sind ja bereits für ihren Einsatz, den sie in dem Prozess, den Reformvertrag zu einem Erfolg zu führen, geleistet haben, gelobt worden. Lassen Sie mich aber an dieser Stelle noch einmal sehr deutlich machen: Der Reformvertrag ist nicht von der deutschen Bundesregierung erfunden worden. Er ist – daran sollte man heute erinnern, auch im Selbstbewusstsein als Parlamentarier – vom Europäischen Konvent ausgearbeitet worden, in dem die Parlamente der Mitgliedstaaten der EU die Mehrheit hatten. Es ist der Vertrag unserer Parlamente.

Wir haben über die Erklärung zur Zusammenarbeit, die ein großer Erfolg war, geredet und wissen, dass – da-rüber werden wir morgen entscheiden – noch eine Reihe von Fragen zu klären sind. Wir als Parlamentarier müssen uns das Recht nehmen, europäische Politik auch von diesem Hohen Hause aus zu gestalten. Dies muss manchmal so erfolgen, dass man der Bundesregierung durch dieses Parlament konkret vorgibt, was sie auf europäischer Ebene verhandeln soll. Das hat etwas mit Transparenzzu tun und damit, Menschen bei diesem Integrations- und Friedensprojekt mitzunehmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, über die deutsch-französische Freundschaft wurde bereits gesprochen. Sie war ein Anker der europäischen Integration. Mich treiben die gleichen Sorgen um, auf die Herr Hoyer zu Beginn der Debatte hingewiesen hat. Wenn ich mir das deutsch-französische Verhältnis heute genau anschaue, dann fallen mir folgende Stichworte ein: Der vorgeschlagene Rat der Weisen bedeutet nichts anderes als eine Entdemokratisierung der Entscheidungsverfahren. Die vorgeschlagene Mittelmeerunion ist nichts anderes als ein Versuch, die Europäische Union zu spalten oder zumindest in Lobbygruppen aufzuteilen. Die EZB ist ein weiterer Problembereich, um das deutlich zu sagen. Der französische Staatspräsident, der sich all dies ausgedacht hat, hat zudem am Tag der Menschenrechte mit Herrn Gaddafi Verträge über den Export von Atomkraftwerken unterzeichnet. Angesichts dessen hätte ich mir von Ihnen, Frau Bundeskanzlerin, eine deutlichere Auseinandersetzung mit dem französischen Präsidenten gewünscht.

Wir können es nicht zulassen, dass aufgrund dieser – vielleicht neu motivierten – französischen Politik, sich europäischen Themen zuzuwenden, dann aber Spielzeuge entwickelt werden, die in der Realität die Europäische Union und andere gefährden; so habe ich Ihre mütterlichen Warnungen an Herrn Sarkozy verstanden. Aber manchmal muss man solchen Leuten das Spielzeug wegnehmen.

Wenn Deutschland seine Verantwortung wahrnehmen will, dann bedeutet das, dass wir zu Entscheidungsprozessen kommen müssen, die zu klaren Mehrheiten führen. Die Menschen müssen das nachvollziehen können. Die bisherigen Vorschläge zur Kompromissbildung auf europäischer Ebene sind dazu aber nicht geeignet. Eine Mittelmeerunion soll im Prinzip, aber nicht so ganz, vielleicht nur ein bisschen, angestrebt werden. Der Rat der Weisen soll nun Reflexionsgruppe heißen. Das ist ein toller Ausdruck. Die Menschen wissen sicherlich sofort, was damit gemeint ist. Diese Gruppe hat tatsächlich beschränkte Rechte und darf sich nur mit bestimmten Themen befassen. Hier wären klare Entscheidungsprozesse notwendig. Lieber Sarkozy, so geht es nicht! Deutschland und Frankreich dürfen nicht nur im PR-Bereich, sondern müssen auch bei der Wahrnehmung der Verantwortung auf europäischer Ebene zusammenarbeiten. Lassen Sie uns daran weiterarbeiten!

Vielen Dank.



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