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Vertrag von Lissabon

13.03.2008 Rede im Deutschen Bundestag

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Es ist schon ein Schritt in die richtige Richtung, dass auch die Linke in diesem Bundestag verstanden hat – das erkenne ich auch an, Kollege Bisky –: Dieser Vertrag macht die Zukunft Europas demokratischer und transparenter; er stärkt die Beteiligung der europäischen Bürgerinnen und Bürger deutlich. All das ist anscheinend Konsens in diesem Haus. Das ist gut so – das sage ich auch ganz deutlich in Ihre Richtung, Herr Bisky –; das ist, finde ich, ein Schritt in die richtige Richtung.

Wir als Grüne in diesem Haus haben immer gesagt: Natürlich wäre es richtig gewesen, über die europäische Verfassung damals ein Referendum zu veranstalten und damit ein Votum in ganz Europa herbeizuführen. Unsere Debatte über die Vor- und Nachteile von Referenden ist aber sehr viel differenzierter als das, was Sie mit Ihrer Forderung nach Referenden auf nationaler Ebene hier populistisch einbringen. So einfach ist das nicht.

Mich ärgert es manchmal schon, wie schnell einige Leute vom autoritären Zentralismus zur direkten Demokratie und Basisdemokratie übergewechselt sind.

Ich glaube, dass zwei Fragen wichtig sind, weil sie die Menschen in diesem Land bewegen. Die Menschen machen sich Gedanken über die Frage: Kann die Europäische Union unsere zentralen Zukunftsfragen lösen?

Die Fragen der Sicherheit und der ökonomischen Zuverlässigkeit sind mit Blick auf die Erreichung der Ziele der Menschen in Europa berechtigt, auf sie muss man eingehen. Ich will dies noch einmal sehr deutlich sagen: Herr Bisky, Sie haben den marktradikalen Neoliberalismus wieder angesprochen. Wenn Sie sich diesen Vertrag einmal genau anschauen würden, so würden Sie sehen, dass man jedes dieser Argumente widerlegen kann. Unter anderem gibt es die soziale Querschnittsklausel in Art. 5 des Vertrages. Dort steht:

Bei der … Durchführung ihrer Politik und ihrer Maßnahmen

– und zwar aller Politiken der Europäischen Union –

trägt die Union den Erfordernissen im Zusammenhang mit der Förderung eines hohen Beschäftigungsniveaus, mit der Gewährleistung eines angemessenen sozialen Schutzes, mit der Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung sowie mit einem hohen Niveau der allgemeinen und beruflichen Bildung und des Gesundheitsschutzes Rechnung.

Das sind zentrale soziale Erfordernisse, die in dieser Verfassung wie in keiner anderen als Querschnittsaufgabe für alle Politikfelder enthalten sind. Als oberstes Ziel steht in Art. 2 Abs. 3 unter dem Stichwort „soziale Ziele“: Die EU bekämpft soziale Ausgrenzung und Diskriminierungen und fördert soziale Gerechtigkeit und sozialen Schutz, die Gleichstellung von Frauen und Männern …

Ich will das gar nicht alles vortragen. Diese zentralen sozialen Ziele sind in keiner anderen Verfassung Europas so intensiv integriert wie in diesem Vertrag.

Schließlich gibt es auch noch die Grundrechtecharta, die in zentralen Teilen ebenfalls diese sozialen Grundrechte beschreibt, die nicht nur für die Staaten, sondern auch für die Organe der Europäischen Union relevant sind. In diesem

 

Zusammenhang zitiere ich aus der Bezirkszeitung Die Linke. Friedrichshain-Kreuzberg vom 5. Februar dieses Jahres:

Die Charta der Grundrechte ist das modernste Grundrechtedokument überhaupt. – Das steht in diesem lesenswerten Blatt. Das ist richtig, das unterstützen wir.

Das hat Frau Kaufmann geschrieben, die Abgeordnete der Linken, die für sie auch im Konvent war.

Vielleicht noch ein Wort zum Militarismus. Wenn man in diesem Vertrag nachliest, was dort zur Sicherheits- und Friedenspolitik steht, dann sieht man: Im Vertrag ist als allererstes Ziel in Art. 2 Abs. 1 verankert:

Ziel der Union ist es, den Frieden, ihre Werte und das Wohlergehen ihrer Völker zu fördern.

Weiter heißt es dann:

In ihren Beziehungen zur übrigen Welt … leistet [sie] einen Beitrag zu Frieden, Sicherheit, globaler nachhaltiger Entwicklung, Solidarität und gegenseitiger Achtung unter den Völkern … sowie zur strikten Einhaltung und Weiterentwicklung des Völkerrechts, insbesondere zur Wahrung der Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen.

Hier ist die Friedenspflicht internationaler Politik noch einmal verankert.

Auch in dem Kapitel zur Außen- und Sicherheitspolitik werden vorrangig, vor den militärischen Konfliktlösungsmöglichkeiten, die zivilen Möglichkeiten genannt. All das steht in dieser Verfassung. Deshalb unterstützen wir diesen Vertrag für die Zukunft Europas. Er spiegelt genau unsere Werte wider.

Als Vertreter der Grünen sage ich hier denjenigen, die dieses Europa sozialer machen wollen: Wir brauchen mehr soziale Gerechtigkeit, und wir brauchen weitere Initiativen.

All denjenigen, die dieses Europa – das bezieht sich auf die Sicherheitspolitik – mit seinen zivilen Konfliktlösungsmöglichkeiten aktiver, attraktiver und auch handlungsfähiger machen wollen, sage ich: Auch Sie haben die Grünen an Ihrer Seite. Das ist überhaupt keine Frage. Dieser Prozess muss weitergehen. Ich sage aber auch sehr deutlich: Diejenigen, die die Grundwerte der Europäischen Union instrumentalisieren wollen, um daraus ihr parteipolitisches Süppchen zu kochen, werden unseren entschiedenen Widerstand finden.

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