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Strategieplanung der EU-Kommission

11.04.08 Rede im Deutschen Bundestag

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die Strategieplanung der EU umfasst eine ganze Reihe von wichtigen Punkten, die die Interessen, zum Teil auch die Bedürfnisse und Ängste der Bürgerinnen und Bürger in Europa widerspiegeln. Wachstum und Beschäftigung, Bekämpfung des Klimawandels, der Bereich der Ener­giepolitik bzw. der Energieaußenpolitik der Europäi­schen Union, die Migration sowie die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger sind Themen, die im Zentrum der Strategieplanung der Europäischen Union stehen. In den Details mögen wir dazu kontroverse Diskussionen führen.

All diese Punkte sind wichtig. Aber ich will mich auf zwei Punkte konzentrieren, die aus unserer Sicht in die­sem Katalog fehlen.

Erster Punkt. Die Strategieplanung geht zu wenig auf die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik ein. Wir alle wissen: Wenn wir die Globalisierung mitbestimmen wollen, dann können wir das nicht als Nationalstaat, son­dern nur als Europäische Union tun. Deshalb ist die im Reformvertrag angelegte Konzentration auf eine Ge­meinsame Außen- und Sicherheitspolitik ein ganz zen­traler Punkt. Die Kommission ist dafür zu kritisieren, dass sie das nicht stärker in den Fokus ihrer Politik stellt.

Wir als Deutscher Bundestag haben an dieser Stelle ein gemeinsames Interesse, auch wenn wir nicht in allen Fragen einer Meinung sind.

Ein gemeinsames Interesse haben wir auch an dem zweiten Punkt, der für mich genauso wichtig ist. Er wurde bereits von Staatsminister Gloser und von dem Kollegen Ulrich zu Recht angesprochen. Wir alle kennen die Debatten aus Frankreich über den damaligen Verfas­sungsvertrag. Wenn man in Europa in dieser Situation nicht auf die Frage der sozialen Gerechtigkeit eingeht und sie nicht in das Zentrum der Politik stellt, dann unterstützt man die populistische Kampagne, die von einigen gegen die Europäische Union gefahren wird. Deswegen brauchen wir die Sozialpolitik als eine we­sentliche Säule der europäischen Politik im Rahmen der Strategieplanung. Da muss das stärker verankert werden.

Die Bundesregierung hat das zu Recht kritisiert. Sie hat aber keinen einzigen eigenen Vorschlag gemacht, wie das zu realisieren wäre.

Die Lissabon-Strategie, die wir alle mitgetragen ha­ben – die Trias von Ökonomie, Ökologie und Sozia-lem –, wird an dieser Stelle auf eine ökonomische Wachstumsstrategie reduziert. Das gehört zwar dazu, reicht aber nicht aus, um die Bürgerinnen und Bürger für die Europäische Union zu gewinnen. Die EU schreibt in ihrer Strategieplanung, dass die Förderung einer nach­haltigen Sozialreform weiterhin im Zentrum der politi­schen Agenda der Union steht. Das ist richtig. Wenn man aber schaut, was im Zentrum steht, stellt man fest, dass da, wenn überhaupt, nur Nebel ist – manchmal nicht einmal das. Es kann nicht sein, dass wir dem populisti­schen Vorurteil, dass Europa eine unsoziale und neolibe­rale Veranstaltung ist, Vorschub leisten. Gegen dieses Vorurteil kämpfen wir schließlich.

Herr Ulrich, in Ihre Richtung will ich ganz deutlich sagen: Konkrete Entscheidungen der Kommission zu kritisieren, heißt für uns nicht, die Europäische Union zu verdammen, verantwortlich zu machen und als Kon­struktion infrage zu stellen – überhaupt nicht. Wir brau­chen diese Integration. Die Mehrheitsverhältnisse in der Kommission spiegeln die Wahlergebnisse in Europa wi­der. Diese Mehrheitsverhältnisse gefallen mir zwar über­haupt nicht, aber deshalb lehne ich doch nicht die Euro­päische Union, den Integrationsansatz und den Reformvertrag ab, mit dem man versucht, die Sache bes­ser zu machen. Vielmehr kämpfe ich für die entspre­chenden politischen Mehrheiten in Europa.

Das ist das, was uns unterscheidet. Aus der Kritik, dass Europa nicht in ausreichendem Maße sozial ist, leiten Sie die Forderung nach einer Renationalisierung der Politik ab. Das ist ein völlig falscher Ansatz. Wir brau­chen die europäische Integration als Antwort auf alle sozialen Fragen.

Sie haben die direkte Demokratie angesprochen. Die Grünen und auch die Sozialdemokraten haben sich in der vergangenen Legislaturperiode dafür ausgesprochen, die direkte Demokratie in Deutschland zu stärken, und ent­sprechende Gesetzentwürfe vorgelegt. Wir haben leider keine Mehrheit dafür bekommen. Ich bin aber dagegen – das habe ich Ihnen im Ausschuss schon gesagt; ich sage es aber noch einmal –, das Instrument der direkten Demokratie für eine populistische Anti-EU-Kampagne zu missbrauchen. Das machen wir nicht mit.

Eines möchte ich noch sagen: Es ist gut, dass wir hier über die Strategieplanung und die Stellungnahme der Bundesregierung dazu diskutieren. Ich hoffe, dass das Interesse an diesen Debatten im Deutschen Bundestag noch stärker wird. In einem Punkt unterstützen wir die Kommission aber ausdrücklich: Sie plant eine Informa­tionskampagne über die sozialen Elemente der Grund­rechtecharta. Das ist genau der richtige Weg. Wir müs­sen über die positiven Entwicklungen sprechen, die mit dem Reformvertrag in Gang gesetzt wurden – und die Grundrechtecharta gehört nach Meinung aller Fraktio­nen zu den positiven Entwicklungen –; denn dann ge­winnen wir das Vertrauen der Menschen zurück.

Vielen Dank.

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