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Einführung eines Europäischen Tags der Meere

08.05.2008 Rede Deutscher Bundestag

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

In der EU leben 40 Prozent der Bürgerinnen und Bürger in küstennahen Gebieten, wo fast die Hälfte des Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet wird. Wohlstand und Lebensqualität in der Europäischen Union sind direkt mit dem Meer verbunden. Das gilt nicht nur für die Gebiete nahe der Küste, sondern weit darüber hinaus.

Die Bedeutung der Meere liegt auch in ihrer Funktion als Handels- und Transportrouten, Klimaregulierer und Lebensraum für Tiere und Pflanzen. Wir alle haben die Verantwortung, unser maritimes Erbe zu schützen und zu erhalten. Doch der enorm steigende Schiffsverkehr, unsichere Öltanker, Überfischung, Überdüngung und vieles mehr gefährden dieses Erbe.

Die Europäische Union hat mit dem Blaubuch zur Europäischen Meerespolitik und noch mehr mit der Meeresstrategie-Richtlinie erste Weichen zum Schutz der Meere gestellt. Nun will die EU mit einem „Europäischen Tag der Meere“ am 20. Mai jedes Jahres das Bewusstsein für das maritime Erbe Europas schärfen. Wir von Bündnis 90/Die Grünen unterstützen diesen Vorschlag und fordern die Bundesregierung in unserem Antrag auf, den Europäischen Tag der Meere am 20. Mai zu feiern.

Uns ist aber auch klar, dass der Tag der Meere nur der Auftakt für weitere Initiativen sein kann. Wir brauchen ein langfristiges Konzept, wie das Bewusstsein für das maritime Erbe auf deutscher und europäischer Ebene über die Küstenregionen hinaus gestärkt werden kann. Darüber hinaus müssen auch Nicht-EU-Mitglieder in die Feierlichkeiten einbezogen werden, wie Russland und die Anrainer des Schwarzen Meeres und des Kaspischen Meeres.

Denn unsere Meere bieten uns die Möglichkeit für mehr regionale Kooperation. Die Ostsee ist eine zentrale Handelsroute nach Osteuropa. Das Schwarze Meer und das Kaspische Meer werden als Energietransitrouten und Handelswege immer wichtiger. Daher sollten wir nicht nur auf die Ostseekooperation schauen, sondern auch die Kooperation mit den Anrainern des Schwarzen Meeres und des Kaspischen Meeres stärken.

Wir dürfen uns nicht ausschließlich auf die Nutzung der Meere konzentrieren. Besonderes Augenmerk müssen wir auch auf den Schutz der Meere richten; denn ohne Schutz keine Nutzung. Der Beschluss der Internationalen Schifffahrtsorganisation, Schweröl in Schiffstreibstoffen ab dem Jahr 2020 zu verbieten und nur noch schwefelarme Treibstoffe zuzulassen, ist ein wichtiger Beitrag für mehr Meeresschutz. Für Nord- und Ostsee gelten sogar noch höhere Standards. Hier ist noch Potenzial, dem Ziel eines sauberen Schiffsverkehrs mit technischen Innovationen wie alternativen Antrieben ein Stück näher zu kommen. Darüber hinaus muss der Schiffsverkehr in den Handel mit Emissionsrechten einbezogen werden. Weitere Forderungen können Sie in unserem Antrag nachlesen, den wir bereits Ende vergangenen Jahrs eingebracht haben.

Ein ökologisch wie politisch fragwürdiges Projekt ist die geplante Ostseepipeline. Insbesondere Polen und die baltischen Staaten befürchten, dass Russland die Pipeline als politisches Druckmittel missbrauchen und sie von der Energieversorgung abschneiden könnte. Darüber hinaus wachsen bei den Ostseeanrainern die ökologischen Bedenken angesichts mehrerer Hunderttausend Tonnen Munitionsaltlasten auf dem Grund der Ostsee – zu Recht, denn auf dem Grund von Nord- und Ostsee liegen über 500.000Tonnen konventioneller Munition und Kampfstoffe. Die Altlasten wurden zum Ende des Zweiten Weltkriegs von den USA, Großbritannien, der Sowjetunion und der deutschen Marine versenkt. Noch heute gelangen Munition und Blindgänger in die Meere, wenn Bundeswehr- und NATO-Verbände die Küstengewässer als Einsatzgebiete nutzen. Minen, Torpedos, Bomben und Granaten gefährden Strandbesucher, Fischer, Wassersportler sowie Meerestiere- und -pflanzen. Von Hinweisschildern an gefährdeten Stränden bis hin zur Klärung der Zuständigkeiten brauchen wir klare Regelungen. Wir Grüne haben hierzu einen Antrag in den Bundestag eingebracht.

Tonnenweise Plastikmüll gefährdet Seevögel und Meerestiere und macht Meere und Strände zu Mülldeponien. Die Bundesregierung scheint sich für dieses wachsende Problem nicht sonderlich zu interessieren. „Nichts hören, nichts sehen, nichts wissen“ – so liest sich die Antwort auf unsere Kleine Anfrage.

Ein Europäischer Tag der Meere ist ein deutliches Signal für die Glaubwürdigkeit der deutschen wie der Europäischen Meerespolitik. Lassen Sie uns dieses Signal am 20. Mai gemeinsam setzen. Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesverkehrsministerium, Karin Roth, hat den Vorschlag eines Europäischen Tags der Meere beim gestrigen Nautischen Abend aufgegriffen. Ich freue mich über die Unterstützung durch die Parlamentarische Staatssekretärin und werbe bei allen Fraktionen  um Zustimmung zu unserem Antrag zur Einführung eines Europäischen Tags der Meere.

Herzlichen Dank.

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