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Euromediterrane Parlamentarische Versammlung

29.05.2008 Rede Deutscher Bundestag

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Zum Auftakt der EU-Ratspräsidentschaft Portugals hat der französische Präsident Nicolas Sarkozy im Frühjahr 2007 die bereits länger bestehende Idee einer Mittelmeerunion wieder ins Gespräch gebracht. Die Mittelmeerunion soll beim Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten und Mittelmeerpartnerländer am 13. Juli 2008 anlässlich des Europäischen Rates aus der Taufe gehoben werden. Die Transparenz des konkreten Vorhabens ließ von Anfang an zu wünschen übrig.

Sarkozys ursprünglicher Plan, einen neuen und eigenständigen Verbund außerhalb der EU zu schaffen, ist Gott sei Dank gescheitert, und das nicht zuletzt an unserem vereinten Widerstand. Ich möchte Bundeskanzlerin Angela Merkel ausdrücklich loben; denn sie war eine der treibenden Kräfte, um die geplante Mittelmeerunion in die bestehenden Strukturen der EU zu integrieren, als Weiterentwicklung der seit zwölf Jahren bestehenden euromediterranen Partnerschaft, des sogenannten Barcelona-Prozesses.

Als Mitglied der deutschen Delegation bei der Euromediterranen Parlamentarischen Versammlung betone ich: Ja, die Bilanz der euromediterranen Beziehungen ist ernüchternd, denn nur wenige Regierungen in den Ländern des südlichen Mittelmeerraums haben ein eindeutiges Interesse an demokratischen Reformen und regionaler Integration gezeigt. Dabei nimmt die Bedeutung der Beziehungen mit und unter unseren südlichen Mittelmeeranrainern stetig zu, und das nicht nur bei den Bemühungen um eine Friedenslösung im Nahen Osten, dem Dialog mit dem Islam, Lösungen von Migrationsfragen und der Frage der Sicherheit der Energieversorgung.

Aber: Anstatt gleich neue, parallele und doppelte Strukturen zu schaffen und noch mehr Geld für die EU-Mittelmeerpolitik lockerzumachen, hätte zuvor analysiert und bilanziert werden sollen, warum der viel kritisierte Barcelona-Prozess und die EU-Nachbarschaftspolitik gegenüber den südlichen Anrainern bisher so wenig erfolgreich waren. An mangelnder Finanzierung liegt es nicht. Nicht einmal drei Viertel des bereitgestellten Geldes konnten ausgegeben werden.

Wie sollen die gewünschten Inhalte und Projekte besser umgesetzt und die Ziele der neuen Union erreicht werden? Was soll wirklich neu sein außer dem Namen, was macht die qualitative Aufwertung des Barcelona-Prozesses aus?

Die Mittelmeerpartner haben zwar die Neubelebung des Barcelona-Prozesses begrüßt, sich aber bereits wieder deutlich gegen multilaterale Investitionen zulasten der bilateralen Mittelzuweisungen gestellt. Zweitens hat die syrische Regierung bereits angedeutet, dass sie aufgrund der möglichen Anwesenheit Israels am kommenden Gipfeltreffen nicht teilnehmen will, die Türkei weiß auch noch nicht, Libyen will nur Sondergast sein.

Das geht ja wieder gut los. All das widerspricht einem unserer europäischen Grundprinzipien: die Bereitschaft zur regionalen Kooperation. Es muss klar sein: Das eine ist ohne das andere nicht zu haben. Wer Geld will, muss auch kooperieren wollen.

Die Kommission hat jetzt mit ihrer Mitteilung einen guten Aufschlag gemacht, vor allem zu den institutionellen Fragen, auch wenn die Frage nach dem Funktionieren der Projektarbeit noch nicht ganz ausgefeilt scheint: Sarkozys ursprüngliche Idee, nur Mittelmeeranrainer könnten in der geplanten Kopräsidentschaft der Union für das Mittelmeer vertreten sein, kann nur ein Witz sein. Auch der im Frühjahr angenommene Kompromiss – die alle zwei Jahre wechselnde Kopräsidentschaft aus einem südlichen Partnerland und einem EU-Mitgliedsland – widerspricht meines Erachtens dem Gedanken der europäischen Integration und ihrer gemeinsamen Interessensvertretung, da auf EU-Seite zunächst nacheinander die neun Länder die Kopräsidentschaft innehätten, die selbst Anrainer des Mittelmeers sind.

Meiner Meinung nach steht doch außer Frage: Die geplante Kopräsidentschaft muss mit den Regeln des EU-Vertrages über die Außenvertretung der EU übereinstimmen. Demnach muss nach jetzigem Stand die rotierende Ratspräsidentschaft auch die Mittelmeerunion vertreten. Nach Inkrafttreten des Lissabonner Vertrages sind das dann der neue Ratspräsident, der Kommissionspräsident und der Hohe Vertreter. Wo kämen wir denn hin, wenn wir für jedes regionale Kooperationsprojekt unterschiedliche Vertretungen nach außen aufbauen? Damit begeistern wir unsere europäischen Bürger, die die EU-Strukturen eh schon für recht unübersichtlich halten, bestimmt nicht wieder für die EU.

Jetzt müssen wir daran arbeiten, die noch offenen Fragen nach den genauen Zuständigkeiten und dem Sitz des neu zu gründenden Sekretariats, dem Generalsekretär und der Rechenschaftspflicht gemeinschaftlich zu beantworten.

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