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EU-Übersetzungsstrategie

16.10.2008 Rede Deutscher Bundestag                                                                 

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren,

Sprache ist Kultur, Sprache ist Identität. Deshalb müssen wir die Sprachenvielfalt in Deutschland, in der EU und auch weltweit schützen. Es ist ein gutes Zeichen, dass die Vereinten Nationen das Jahr 2008 zum internationalen Jahr der Sprachen erklärt haben. Auch die Europäische Union muss ihren Reichtum an Sprachenvielfalt sichern, und deshalb ist es richtig, dass jedes Land vor einem Beitritt in die Europäische Union angeben kann, welche Sprache es als sogenannte Amtssprache wählt. In diesen momentan 23 Amtssprachen können sich dann alle Bürgerinnen und Bürger an die Institutionen der Europäischen Union wenden. Und das ist gut so. Denn die Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht darauf, zu erfahren, was in ihrem Namen geschieht.

Sprache ist also ein wichtiger Schlüssel für die Bürgerinnen und Bürger zur Europäischen Union. Aber auch für kleine und mittlere Unternehmen, die sich an EU-Ausschreibungen beteiligen möchten, und nicht zuletzt auch für uns Abgeordnete ist es notwendig, dass wir wichtige Informationen in unserer Sprache erhalten. Denn es ist unsere ureigene Aufgabe, zu kontrollieren, wie die Bundesregierung in Brüssel handelt und ob sie unsere Anliegen auch richtig vertritt.

Genau deshalb ist es doch absolut unverständlich, wenn wichtige Initiativen, Beschlüsse und auch Internetauftritte, zum Beispiel der Generaldirektionen, nicht in allen Sprachen zur Verfügung stehen. Wir verstehen nicht, warum nicht alle wesentlichen EU-Dokumente in allen 23 Amtssprachen erhältlich sind. Es kann nicht sein, dass für eine Übersetzung allein formale Kriterien ausschlaggebend sind und wichtige Informationen, die sich in Anhängen oder in „nachgeordneten Dokumenten“ finden, deshalb nicht übersetzt werden. Nicht irgendwelche Kriterien, sondern die politische Bedeutung muss entscheiden, was übersetzt wird.

Deshalb fordern wir von der Europäischen Kommission, dass sie endlich wie angekündigt eine überarbeitete Übersetzungsstrategie vorlegt. Das sollte und muss noch in diesem Jahr und damit vor der Europawahl geschehen. Die Kommission hat sich doch mit ihrem „Plan D“ einen verstärkten Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern vorgenommen. Statt Hochglanzbroschüren zu drucken und Häppchen auf Abendveranstaltungen zu servieren, sollte sie da anfangen, wo es am sinnvollsten ist, nämlich bei der Sprache. Die Kommission muss dafür sorgen, dass dieser Dialog auch in beide Richtungen gehen und verstanden werden kann. Von der Bundesregierung fordern wir, dass sie nachdrücklich und auf allen Ebenen für eine neue Übersetzungsstrategie eintritt. Denn auch sie hatte sich für ihre Ratspräsidentschaft vorgenommen, das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Europäische Union zu stärken.

Wir Grünen begrüßen sehr, dass sich die Fraktionen im Bundestag in dieser Frage jetzt einig sind. Denn noch im letzten Jahr ging es CDU/CSU und SPD doch vor allem darum, nur die deutsche Sprache zu stärken. In diesem Jahr sind wir uns einig, dass es sich nicht nur um ein deutsches Problem handelt, sondern dass alle relevanten Informationen für alle in der Europäischen Union verständlich sein müssen. Denn sonst werden wir nie die hehren Ziele einer europäischen Öffentlichkeit, einer europäischen Identität und einer gelebten Unionsbürgerschaft erreichen. Dazu brauchen wir eine transparente und verständliche Europäische Union.

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