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Zur grünen Bilanz der deutschen EU-Ratspräsidentschaft: "die neue EU-Ostpolitik"

Die Bundesregierung hatte als EU-Ratspräsidentschaft das Mandat erhalten, das Konzept der Europäischen Nachbarschaftspolitik (ENP) weiterzuentwickeln, eine EU-Zentralasienstrategie auszuformulieren sowie die Verhandlungen über die Weiterentwicklung des Partnerschafts- und Kooperationsabkommens (PKA) mit Russland zu Beginnen.

Diese drei Komponenten bildeten den deutschen Präsidentschaftsakzent der neuen „EU-Ostpolitik“, der das Ziel des Ausbaus eines europäischen Raumes der Sicherheit und Stabilität verfolgt. Es liegt auf der Hand, dass die EU ein vitales Interesse an einer nachhaltigen Stabilisierung, Demokratisierung und Modernisierung ihrer Nachbarstaaten hat.

Diese drei Schwerpunkte, bisher leider voneinander unabhängig verfolgte Strategien einer europäischen Politik gegenüber unseren östlichen Nachbarn müssen einen differenzierten und kohärenten Ansatz verfolgen.

Und das ist dabei bisher rum gekommen:

1. Die Aufnahme der Verhandlungen mit Russland über die Weiterentwicklung des neuen Partnerschafts- und Kooperationsabkommens ist der Bundesregierung nicht gelungen. Hauptsächlich ist der Begin der Verhandlungen am Handelsstreit zwischen Moskau und Warschau um die polnischen Fleischeinfuhren nach Russland gescheitert, wobei die höchst unterschiedlichen Positionen zu unter anderem den Bürger- und Menschrechtsfragen in Russland, dem zukünftigen Kosovo-Status, der jeweiligen Energiepolitik und dem geplanten Raketenabwehrschild der USA auch eine nicht unwesentliche Rolle gespielt haben. Dabei ist dieses Abkommen mit Russland in vielen Bereichen überfällig. So ist zum Beispiel in Energiefragen eine Einigung auf zentrale Prinzipien der Zusammenarbeit wie gegenseitige Zugangsgarantie, Mindestgarantien für Energieinvestitionen sowie Transitregeln wichtig.

Wir haben in diesem Zusammenhang auf eine Strategie gegenüber Russland gedrängt, die nicht durch eine Politik der Einflusszonen bestimmt ist und eine politische wie auch wirtschaftliche Konkurrenz in der Region der europäischen Nachbarschaft darstellt, sondern eine effektive und integrative Zusammenarbeit zur Lösung von Konflikten und gemeinsamen Problemen fördert sowie die Entwicklung von Rechtstaatlichkeit und den Schutz der Menschenrechte unterstützt.

2. Keine wirklich sinnvolle Weiterentwicklung hat die deutsche Ratspräsidentschaft bei der ENP erreicht. Das Konzept der deutschen Ratspräsidentschaft hört sich an sich sehr schön an. Es wurden hauptsächlich Maßnahmen vorgeschlagen, um an einer Vertiefung der wirtschaftlichen Kooperation mit den ENP-Ländern zu arbeiten. Auch hier liegt das spezielle Augenmerk auf der Energiepolitik und der Verbesserung des Investitionsklimas mit dem Ziel gemeinsamer Freihandelsabkommen. Verstärkte Kooperation in den Bereichen Justiz und Inneres soll zum einen rechtstaatliche Prinzipien in den noch jungen Transformationsländern im Osten Europas festigen, zum anderen auch dem Sicherheitsinteresse der EU dienen. Der zivilgesellschaftliche Austausch soll gestärkt werden und neue Finanzmechanismen sollen zur Unterstützung von Reformen zur Verfügung gestellt werden. Es hapert also nicht an schönen Worten und hehren Absichten. Jedoch bei der Umsetzung liegt das Problem.

Eine Umstrukturierung des Rahmens des ganzheitlichen Ansatzes für 16 Länder, der mit bilateralen Aktionsplänen flankiert wird, ist für eine effektive ENP jedoch unumgänglich. Eine notwendige Weiterentwicklung ist eine Differenzierung zwischen der Nachbarschaftspolitik für europäische Staaten, die eine grundsätzliche Beitrittsperspektive haben, und einer Nachbarschaftspolitik für die südlichen und östlichen Mittelmeeranrainer. Für beide Räume müssen die Instrumente stärker auf die jeweiligen unterschiedlichen Bedürfnisse, Interessen und Ziele zugespitzt werden, da diese sich sonst jeweils im Fortschritt gegenseitig bremsen oder gar blockieren.

3. Auch die neue EU-Zentralasienstrategie klingt gut und sieht gut aus. Ob sie mehr ist als eine Erklärung edler Absichten wird sich in den kommenden Monaten zeigen.

Wir finden es gut, dass die Bundesregierung in ihrer EU-Ratspräsidentschaft dazu beigetragen hat, die lange vergessene Region Zentralasiens wieder in den Fokus internationaler und EU-Politik zu stellen. Der Ansatz der neuen Zentralasienstrategie, sowohl auf regionaler wie auf einzelstaatlicher Ebene zusammen zu arbeiten, ist ein deutlicher Fortschritt gegenüber der oft erfolglosen, rein regionalen EU-Politik der Vergangenheit. In der neuen Zentralasienstrategie haben auch Themen wie Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte einen Raum. Auch das finden wir gut, denn wir hatten wiederholt eine stärkere Konzentration der EU auf den Aufbau und die Unterstützung rechtsstaatlicher Strukturen in Zentralasien gefordert.

Allerdings muss sich erst zeigen, ob die EU – und die Bundesregierung – bereit sind, diesen Worten auch Taten folgen zu lassen. Die EU muss stärker als bisher in den zentralasiatischen Staaten präsent sein, Programme zum Menschenrechtsschutz müssen besser budgetiert und evaluiert werden. Und: vor allem muss die EU eine klare Linie und konkrete Zielvorgaben in ihren nun beschlossenen Menschenrechtsdialogen mit den zentralasiatischen Staaten vertreten, um ihre Glaubwürdigkeit nicht zu verlieren. Mit einer Lockerung von EU - Sanktionen gegenüber Usbekistan würde die Bundesregierung ihren eigenen Ansatz der Zentralasienstrategie nur konterkarieren.

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