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Große Koalition verhindert Verbraucherinformation

Große Koalition verhindert Verbraucherinformation

 

Gammelfleischskandal in Bayern, tonnenweise verdorbenes Fleisch in Kühlhäusern, amerikanischer Gen-Reis in den Regalen deutscher Supermärkte – kaum ein Tag vergeht, an dem nicht neue Funde von Ekelfleisch gemeldet werden und weitere Fälle von verunreinigtem Reis auftauchen.

 

Statt jedoch die verschreckten Verbraucherinnen und Verbraucher unverzüglich vor vergammeltem Fleisch zu warnen und die Öffentlichkeit zu informieren, wer in diesen mittlerweile bundes- und europaweiten Skandal verwickelt ist, stritt Bundesverbraucherschutzminister Horst Seehofer erstmal mit seinem Münchner Amtsbruder Werner Schnappauf darüber, wem die größten Pannen unterliefen. Auch beim Thema Gen-Reis scheint Seehofer mehr an den Interessen der Gentechnik-Industrie als an denen der Verbraucherinnen und Verbraucher gelegen zu sein. Wie ist sonst zu erklären, dass er bei einem Treffen der EU-Agrarminister vergangenen Montag in Brüssel für die Genehmigung von genmanipuliertem Raps der Bayer AG gestimmt hat, während gleichzeitig immer mehr Verunreinigungen mit illegalem Gen-Reis gemeldet werden? So viel zum Thema Verbraucherschutz in der großen Koalition.

 

Die jüngsten Skandale sollten Anlass genug sein, offensichtliche Defizite beim Verbraucherschutz zu beheben. Das Verbraucherinformationsgesetz der großen Koalition schafft hier jedoch keine Abhilfe, sondern lässt die schwarzen Schafe unbehelligt im Dunkeln. Es bringt den Bürgerinnen und Bürgern kein klares Recht auf zeitnahe Nennung von kriminellen Betrieben. Besonders die von Seehofer favorisierten betrieblichen Eigenkontrollen der Lebensmittelunternehmen sind der falsche Weg. Denn Unternehmen, die oftmals als einzige die gewünschten Informationen besitzen, müssen keine Auskünfte geben. Das Gesetz droht damit eher zum Verbraucherinformations“verhinderungs“gesetz zu werden. Wenn die große Koalition es wirklich ernst meint mit dem Informationsrecht der Verbraucherinnen und Verbraucher, muss sie dem von Bündnis 90/Die Grünen vorgelegten Gesetzentwurf ihre Zustimmung geben: der sieht einen umfassenden Rechtsanspruch auf Informationszugang über Produkte und Dienstleistungen gegenüber Behörden und Unternehmen mit klaren und unbürokratischen Antragsverfahren vor.

 

Die alleinige Zuständigkeit der Bundesländer für die Lebensmittelüberwachung ist angesichts der bekannt gewordenen Kontrolldefizite höchst bedenklich. Wenn der Bundesminister Seehofer einräumen muss, nur über Presse und Öffentlichkeit Druck auf die Länder ausüben zu können, ist das ein Armutszeugnis. Wir brauchen dringend mehr Kompetenzen des Bundes bei den Vorgaben für die Lebensmittelkontrolle und bei deren Überwachung, ebenso wie eine bessere Koordination zwischen Bund und Ländern. Die Gelegenheit zur Verbesserung der Lebensmittelüberwachung im Rahmen der Föderalismusreform ist von der großen Koalition aber leider gerade vertan worden.

 

Ob Gammelfleisch oder Gentechnik: Konsumentinnen und Konsumenten erwarten zu Recht, dass man sie vor Gesundheitsgefahren schützt. Gesundheitsvorsorge darf nicht auf vorübergehenden Aktionismus oder anonyme Hinweise setzen, sondern muss durch systematische Kontrollketten und ausreichende Personalausstattung garantiert werden. Wir brauchen Transparenz im Markt und Information für Verbraucherinnen und Verbraucher. Der Verbraucher muss erfahren, welches Produkt er kauft. Die Ergebnisse der Lebensmittelkontrollen müssen veröffentlicht werden, bei Unregelmäßigkeiten auch die Namen von Lieferanten und Abnehmern. Verbraucherinteressen haben klar Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen. Nahrungsmittel müssen sicher sein, egal wie hoch der Wettbewerbsdruck ist.

 

Ihr Rainder Steenblock

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