Hafenkonzept statt Elbvertiefung im Alleingang

 

Liebe Leserinnen und Leser,

Hamburg drückt beim Zeitplan für die nächste Elbvertiefung aufs Gaspedal und wirbt um die Zustimmung der zaudernden Nachbarn. Aber dort regt sich Widerstand, wie die Informationsveranstaltung der verantwortlichen Behörden zum Planfeststellungsverfahren Ende März in Haseldorf zeigte. Anlass zur Sorge gibt es für die Elbanwohner schon heute genug.

Die Schlickmengen, die zur Erhaltung der Wassertiefen aus der Elbe geholt werden, sind inzwischen auf jährlich gut 9 Millionen Kubikmeter angewachsen, ein Teil davon wird vor Helgoland ins Wattenmeer verklappt. Gegenwärtig kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich kontaminierte Sedimente im Watt ablagern, Untersuchungen des Senckenberginstituts in Wilhelmshaven deuten zumindest darauf hin. Unmut regt sich jetzt auch deshalb, weil eine erneute Vertiefung des Flusses noch mehr Baggerarbeiten mit noch mehr Baggergut in Höhe von 38,5 Millionen Kubikmeter mit sich bringen wird. Die Kosten für dessen Verbringung nach See laufen schon heute aus dem Ruder. Ein begründetes Gesamtkonzept zur Lösung der Schlickproblematik fehlt noch immer. Die von der schleswig-holsteinischen Landesregierung 2005 erteilte befristete Erlaubnis für die Verklappungen in der Nordsee gehört deshalb als erstes auf den Prüfstand. Ohne ausreichende Prüfung aller Auswirkungen der letzten Vertiefung wie auch der Gefahren der nächsten darf Schleswig-Holstein sich den Hamburger Baggerwünschen keinesfalls beugen.

Allemal besser als Symptome zu bekämpfen wäre es, Schäden gar nicht erst entstehen zu lassen. Schäden, die inzwischen selbst von den Planern der Elbvertiefung anerkannt werden: so hat Hamburg jetzt zwar den „Elbefonds“ zur Entschlickung der kleinen Häfen entlang der Unterelbe und ihren Nebenflüssen aufgestockt – ausgezahlt wird aber nur, wenn Schleswig-Holstein die Vertiefungspläne abnickt. Mit ein paar Euro mehr aus Hamburg sind Fauna und Flora an der Elbe aber nicht zu retten. Statt mit einer Mischung aus finanziellen Zugeständnissen und wirtschaftlichem Druck das Nachbarland zur Zustimmung zu nötigen, sollte Hamburg die Angst der Menschen an den Elbdeichen endlich ernst nehmen und die Klärung offener Fragen vorantreiben.

Denn weder sind bisher die Folgen der letzten Vertiefung von 1999 auf Umwelt und Deichsicherheit ausreichend untersucht, noch sind die angeordneten Kompensationsmaßnahmen vollständig umgesetzt. Die Beweissicherung läuft noch bis 2014. Mit dem Ausgleich bestehender Eingriffsfolgen hat es Hamburg nicht eilig, das zeigt auch das Beispiel Airbus-Erweiterung: die für die Zuschüttung des Mühlenberger Lochs von der Europäischen Union angemahnten Ersatzflächen fehlen noch immer, nun werden aber erneut Ausgleichsflächen benötigt. Ob bei diesen Defiziten ein weiterer Eingriff in das Ökosystem Elbe nach EU-Recht genehmigungsfähig ist, darf bezweifelt werden.

Wir norddeutsche Grüne wollen die Entwicklung des Hamburger Hafens nicht verhindern, halten aber eine weitere Elbvertiefung aus ökologischen und ökonomischen Gründen für falsch. Statt die drei Hafenstandorte Hamburg, Bremerhaven und Wilhelmshaven parallel auszubauen und deren Konkurrenzkampf auf Kosten der Natur und der Steuerzahler zu fördern, muss endlich ein nationales Seehafenkonzept mit einer vernünftigen Arbeitsteilung auf den Tisch.

Herzliche Grüße,

Rainder Steenblock

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