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Halbe Sachen in der Halbzeitbilanz

27.12.2007 Abgeordnetenwort Uetersener Nachrichten

Pünktlich zur Halbzeitbilanz klopft sich die große Koalition in Berlin für ihre Erfolge einmütig auf die Schultern. Aber wer heute auf die vergangenen zwei Jahre blickt, dem fällt wenig ein, was diese Koalition zustande gebracht hat. Viel Selbstbeweihräucherung und Freundlichkeit, wenig echte Ambition und nichts Konkretes. Wofür die Kanzlerin steht, ist schwer zu entdecken. Sie mag einen guten Eindruck machen. Inhaltlich aber bewegt sie zu wenig.

Angekündigt heißt noch lange nicht umgesetzt. Das gilt für viele der großen Reformvorhaben, über die das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. Ob Prävention, Pflege- oder Gesundheitsreform: Vermeintlich unter Dach und Fach gebrachte Vorhaben sind vom Bundestag noch nicht verabschiedet. Krach zwischen Union und SPD ist vorprogrammiert, weitere Verzögerungen und Aufweichungen sind zu erwarten.

„Historisch“ ist das Paket nicht zu nennen, das die Bundesregierung für die Klimakonferenz von Bali auf den Tisch gepackt hat. Tatsächlich hat die Kanzlerin mit ihrem Herzensthema Klimaschutz die Gunst der Stunde genutzt, die ihr der weltweite „Klimaboom“ beschert hat. Viel Mut gehörte jedoch nicht zum 29-Punkte-Programm, setzt die Regierung doch vor allem auf die Gesetze des Marktes. Ob die Maßnahmen tatsächlich ihr prognostiziertes Ziel erreichen, den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2020 um 40 Prozent zu senken, darf bezweifelt werden. Klimapolitische Leerstellen klaffen vor allem im Agrar- und Verkehrsbereich: Tempolimit auf Autobahnen? Kerosin-Steuer? Flugticket-Abgabe? Steuernachlässe für die Bahn oder den öffentlichen Nahverkehr? Unter den Tisch gefallen, vertagt, aufs europäische Parkett verschoben.

In der Außenpolitik steht mehr als ein Glaubwürdigkeitstest für die Bundesregierung an: Wenn es in der Europäischen Union um den Abbau der Agrarsubventionen für konventionelle Großbetriebe geht. Wenn deutsche Stromkonzerne durch EU-Vorgaben Nachteile wittern. Oder wenn in Menschenrechtsfragen ein klares Konzept statt Beschwichtigung gefragt ist. Es ist peinlich, wenn sich die Bundeskanzlerin in ihrer Regierungserklärung für ihre Menschenrechtspolitik lobt, aber keine Worte zum Staatsbesuch des libyschen Präsidenten Gaddafi in Paris findet. Den saudischen Kronprinzen zu hofieren, hinsichtlich der Situation der Frauen zu schweigen und nichts zu den dortigen Hinrichtungen zu sagen, stellt ebenfalls in Frage, ob die Kanzlerin es mit ihrer Menschenrechtspolitik wirklich ernst meint.

Die große Koalition ist unfähig, große Aufgaben zu lösen. Große Mehrheiten einigen sich auf winzige gemeinsame Nenner. In Situationen, da Entscheidungen getroffen werden müssen, ist dieses Sowohl-als-auch verheerend. Eine solche Politik bringt im Ganzen nichts voran, macht das Land nicht gerechter, sozialer und ökologischer. Es kann nicht darum gehen, diese Legislaturperiode bis zum Jahr 2009 irgendwie auszuhalten. Wir müssen nach zwei Jahren endlich wissen, wie die Koalition die großen Fragen lösen will, wohin dieses Land gehen soll und wie wir ans Ziel kommen wollen. Die in schöne Worte gefasste Aufgabendefinition haben wir schon zu oft gehört. Wer sich um dieses Land Gedanken macht, muss sich die zentrale Frage stellen, wie wir 2010, 2020 oder 2030 leben wollen. Mit ihrem Motto: Weiter so und durchwurschteln wird die große Koalition den drängenden Aufgaben nicht gerecht.

Kommen Sie, liebe Leserinnen und Leser, gut ins Jahr 2008

wünscht Ihnen Rainder Steenblock

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