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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich will am Anfang das unterstreichen, was auch Michael Link gesagt hat. Wenn man sich die Situation an den Grenzen von Südossetien und Abchasien anschaut, dann stellt man fest, dass sie dramatischer ist, als es häufig in Westeuropa wahrgenommen wird. Deshalb ist es gut, dass wir heute über die Situation diskutieren und versuchen, unsere national-deutschen Kräfte, die wir haben, mit den Kräften der Europäer, aber auch mit all denjenigen zu bündeln, die an diesem Konflikt beteiligt sind, um zu Lösungen zu kommen.
Wir brauchen eine Deeskalation, weil sich an den Grenzen Georgiens ein neuer Konflikt aufbaut. Wir müssen sehr viel sensibler als in der Vergangenheit darauf achten, dass dieser Konflikt nicht wieder heißläuft. Das heißt unter anderem auch, dass wir ein großes Interesse daran haben müssen, dass dort internationale Beobachtungsstrukturen aufgebaut werden, die mehr Eingriffsmöglichkeiten bieten, als es bei unserer Monitoringmission bisher der Fall ist. Wir brauchen dort eine sehr viel bessere Präsenz.
Die Debatte, die wir über den Südkaukasus führen, ist eine unter Freunden. Der aserische Botschafter ist heute bei uns, und auch die Vertreter der georgischen Botschaft sind da.
Das ist ein sehr gutes Zeichen. Wir diskutieren unter Freunden. Wir haben gemeinsame Interessen, ja, wir haben auch wirtschaftliche Interessen. Wir sind mit dieser Region solidarisch, und wir haben, was sich in der Mitgliedschaft im Europarat ausdrückt, dieselben Werte, um die es uns geht. Diese möchte ich in Solidarität, aber auch mit Kritik ansprechen.
Wenn man in dieser Region Frieden und Stabilität schaffen will, dann sind Voraussetzung dafür der Aufbau der Demokratie, die Anerkennung der Minderheitenrechte und die Durchsetzung der Spielregeln des Europarats. In dieser Beziehung gibt es noch Defizite.
Ein zentraler Punkt ‑ das haben mehrere gesagt ‑, um Stabilität herzustellen, ist die Beachtung des Völkerrechts und der territorialen Integrität. Wenn man sich aber darauf beschränkt, wird man die Konflikte in dieser Region nicht lösen. Schauen Sie sich die uralten Konflikte zwischen Abchasiern, Georgiern, Osseten usw. an! Schauen Sie sich die kulturelle Vielfalt des Kaukasus an, aber auch die Unterschiede der vielen Völker in dieser Region! Wir werden mit der Forderung nach territorialer Integrität nur dann Erfolg haben, wenn die Selbstbestimmungsrechte von Minderheiten sichergestellt werden. Darüber muss miteinander diskutiert werden. Wir werden die Menschen dort nicht zueinander führen können, wenn sie das Gefühl haben ‑ das gilt auch für die kleinen Länder ‑, von der Mehrheit unterdrückt zu werden. Dieses Gefühl gab es.
Unsere Solidarität und unsere Erfahrung sind wichtig, damit dort Fortschritte erzielt werden können.
Eine Schlüsselrolle ‑ das möchte ich zum Schluss ansprechen ‑ wird Russland spielen. Deshalb ist die Integration Russlands in Konfliktlösungsstrategien notwendig. Ich halte es allerdings für falsch, wenn wir als Europäische Union im Rahmen der Partnerschaft mit den östlichen Staaten Russland als zweiten großen Partner etablieren. Das wird in dieser Region zu der Wahrnehmung führen, dass zwischen der EU auf der einen und Russland auf der anderen Seite ein Zwischenraum existiert, über den die großen Mächte reden. Das kann nicht unser Interesse sein; vielmehr sind die osteuropäischen Länder und der Südkaukasus gleichberechtigte Gesprächspartner der Europäischen Union und keine Verhandlungsmasse zwischen der EU und Russland.
Das muss sehr deutlich werden.
Wir müssen den Russen klarmachen: Wir unterstützen Zwei‑plus‑eins‑Gespräche, wie sie vor kurzem mit dem Präsidenten von Armenien und dem Präsidenten von Aserbaidschan in Moskau stattgefunden haben. Das internationale Format ‑ Stichwort: Minsk-Forum ‑ ist die Konfliktlösungsstruktur.
Das Ganze darf aber nicht dazu führen ‑ wie jetzt in Moldau versucht wird ‑, dass Russland Zwei‑plus‑eins‑Formate anwendet und den Schiedsrichter bei der Lösung dieser Konflikte spielt. Wir brauchen internationale Konfliktlösungsstrategien und -strukturen, in die alle eingebunden sind. Russland ist nicht der Player, der dafür sorgen kann.
Ich bewerte Abchasien anders. Aus meiner Sicht hat Russland im Zusammenhang damit keine Niederlage erlitten. Für die Russen wäre es eine Katastrophe, wenn Abchasien von allen europäischen Ländern anerkannt würde und wenn dort, in Abchasien, plötzlich Botschaften aller europäischen Länder wären; das wollen die Russen nicht. Sie sind mit der Situation der isolierten Anerkennung durchaus einverstanden; das entspricht nämlich ihrer Form von Nachbarschaftspolitik. Die russische Sicht ist, dass sich die anderen heraushalten.
Ich glaube, es ist wichtig, den russischen Freundinnen und Freunden deutlich zu machen: Neoimperiale Strukturen sind konfliktverschärfend. Wir brauchen Konfliktlösungen, und dazu kommt es nur, wenn Akzeptanz vorhanden ist.
Vielen Dank.
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