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Frau Präsidentin. Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Es gibt Institutionen, die in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt bleiben, obwohl ihr Wirken hilfreich und weittragend ist. Dazu gehört der Europarat. Seine Aufgabe, der Schutz von Menschenrechten, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, klingt gut, aber für unsere Ohren vielleicht auch etwas banal. Das täuscht. Denn gerade diese Aufgabenstellung hat den Europarat zu einem wertvollen Instrument in Europa gemacht.
Allein der Umstand, dass ihm heute mit Ausnahme der Diktatur Weißrußland und dem nicht von allen Mitglieder anerkannten Kosovo alle europäischen Staaten angehören, beweist die Bedeutung dieser ältesten internationalen Organisation in Europa. Er zeigt seinen Erfolg und seine Attraktivität. Erworben hat sich der Europarat dieses Prestige mit konsequenter Vertretung seiner erklärten Werte. So suspendierte er zum Beispiel während der Jahre der Junta zwischen 1964 und 1974 die Mitgliedschaft Griechenlands.
Nach dem Zusammenbruch des Sozialismus in der östlichen Hälfte Europas beantragten all jene Staaten dort, die nun seine Werte teilen wollten, die Mitgliedschaft im Europarat. Die lange Mitgliederliste hat sich jedoch zugleich auch als beachtliche Herausforderung erwiesen. Denn der Europarat und seine Werte sind attraktiver als manche der Regierungen und Behörden seiner Mitgliedstaaten möchten.
Die Aufnahme so vieler noch unfertiger Demokratien hat zu einer neuen Situation geführt. Stärker als zuvor sah sich der Europarat selbst mit der Frage konfrontiert, ab wann ein Staat Mitglied werden könne, der sich zwar auf die Werte des Europarats verpflichtet, sie aber nur unzureichend zu erfüllen imstande oder gar willens ist. Darüber fanden bei einer Reihe von Anträgen auf Mitgliedschaft Diskussionen innerhalb des Europarats, seiner Parlamentarischen Versammlung und auch in nationalen Parlamenten wie dem Bundestag statt.
Ein allgemeingültiges Kriterium konnte nicht gefunden werden. Das ist nicht überraschend. Denn die Situation in jedem Land und ihre Hintergründe sind natürlich verschieden. Wichtig jedoch sind die Argumente in diesen Debatten, sowohl für als auch gegen eine Aufnahme in den Europarat. Sie sind Ausdruck der notwendigen Auseinandersetzung über die politische Bedeutung des Europarates, seine Wirkungsweise und Instrumentarien sowie deren Weiterentwicklung.
Zumindest indirektes Ergebnis dieses Diskussionsprozesses ist die Einführung einer Reihe von neuen Instrumenten wie dem vor genau zehn Jahren eingeführten Menschenrechtskommissar und dem schon früher installierten Monitoring-Verfahren. Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte wurde inzwischen zu einem ständig tagenden Gericht ausgebaut. Die Unmenge von Verfahren, die bei ihm angestrengt werden, zeigt sowohl seine Bedeutung wie auch die Größenordnung der Probleme, die es in manchen Mitgliedstaaten wie der Türkei oder Russland bis heute gibt. Um so ärgerlicher – wenn auch nicht verwunderlich - ist es, dass gerade Russland eine größere Effizienz des Gerichtshofes behindert.
Auch die Arbeit des Menschenrechtskommissars und die Ergebnisse der Monitoring-Verfahren machen deutlich, dass der Schutz der Menschenrechte, aber auch die Unabhängigkeit der Justiz und die Garantie rechtsstaatlicher Verfahren keineswegs Selbstverständlichkeiten in Europa sind. Auch die Berichte des Menschenrechtskommissars haben sich als wichtige Sammlung von Unzulänglichkeiten und Vorschlägen zu ihrer Behebung erwiesen.
Das gilt im Übrigen für alle Mitgliedstaaten des Europarates. Für Deutschland beispielsweise nannte der Bericht des Menschenrechtskommissars Tomas Hammarberg im Jahre 2006 immerhin 55 Empfehlungen. Die unparteiische Arbeit nicht nur des Menschenrechtskommissars, sondern des Europarates insgesamt ist notwendig für seine Seriosität und damit die Wirksamkeit seiner Bewertungen und Vorschläge. In Ländern wie Deutschland, wo zu Recht die Lage der Menschenrechte woanders häufig kritisiert wird, muss deshalb der Erfüllung von Auflagen des Europarates besondere Bedeutung beigemessen und seiner Arbeit die gebührende öffentliche Aufmerksamkeit gezollt werden. Dass wir als Bundestag diese Debatte führen und den zugehörigen Antrag gemeinsam beschließen, finde ich deshalb gut und richtig. Dass wir jedoch nur nach Mitternacht diskutieren könnten und deshalb unsere Beiträge lediglich zu Protokoll geben, scheint mir ein Zeichen für falsche Prioritäten in der Themenplanung des Bundestages.