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Freiheit und Demokratie im Südkaukasus - Für freie und faire Wahlen 2008

04.12.2008 Rede Deutscher Bundestag

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich würde gerne mit einem Zitat beginnen:

Beide Seiten haben den politischen Willen, die Beziehungen zu normalisieren.

Das ist kein Zitat, das uns aufgrund der diplomatischen Sprachgewohnheiten normalerweise vom Hocker reißen würde. Da dieser Satz, „Beide Seiten haben den politischen Willen, die Beziehungen zu normalisieren“, vor wenigen Wochen in Istanbul vom türkischen Außenminister gesagt worden ist, nachdem er sich mit seinem armenischen Kollegen getroffen hat, ist das eine der besten Nachrichten, die aus dieser Region in den letzten Jahren gekommen sind.

Wir haben heute schon eine Debatte über den Sport geführt. Das, was an Fußballdiplomatie zwischen Armenien und der Türkei nach dem Fußballspiel stattgefunden hat, ist aber wirklich bemerkenswert. Die Türkei hat sich aus meiner Sicht in sehr positiver Weise als Regionalmacht in diesen Konflikt eingemischt. Die Türkei hat gesagt: Im Konflikt zwischen Aserbaidschan – einem befreundeten Turkvolk – und Armenien – einem Volk, mit dem die Türkei eine ganz schwierige Geschichte verbindet – wollen wir jetzt vorankommen, und wir Türken übernehmen die Mitverantwortung für diesen Prozess. Das ist etwas, was wir sehr deutlich unterstützen müssen, weil das ein ganz wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer Lösung ist.

Auch die Einladung der beiden Staatschefs aus Armenien und Aserbaidschan durch den russischen Präsidenten – Gert Weisskirchen und Manfred Grund haben da-rauf hingewiesen – sowie die gemeinsame Erklärung und die Tatsache, dass dieses Thema auf dem OSZE-Gipfel noch einmal angesprochen werden soll, sind Ausdruck dieser positiven Entwicklung. Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass Medwedew aus dem Desaster in Georgien – insbesondere für die russische Außenpolitik war das ein Desaster – gelernt hat. Diese Regionalmacht hat sich mit der völkerrechtswidrigen Anerkennung von Südossetien und Abchasien regelrecht ins Aus manövriert. Kein GUS-Staat, kein Land der Schanghai-Ko-operation, niemand sonst hat diese Anerkennung vollzogen. Die Russen haben sich mit der Anerkennung aus der internationalen Gemeinschaft herauskatapultiert. Die Reaktion von Medwedew zeigt mir, dass es Leute gibt, die daraus gelernt haben und in die internationale Kooperation zurückwollen. Auch das sollten wir unterstützen. Wir können kein Interesse daran haben, Russland zu isolieren.

Wir müssen vielmehr sehr klar sagen: Das war zwar eine völkerrechtswidrige Anerkennung, aber wir brauchen einen veränderten Blick Russlands auf die Politik. Natürlich werden die Russen nicht sofort sagen, dass das falsch war; das können sie auch nicht tun. Wir sollten einen anderen Politikweg Russlands aber unterstützen.

Ein gutes Zeichen war, dass das armenische Parlament, das aserbaidschanische Parlament und das georgische Parlament mit einer gemeinsamen Parlamentarierdelegation Deutschland besucht und Gespräche geführt haben. Auch das ist als ein sehr positiver Schritt zu werten.

Die europäische Nachbarschaftspolitik, die wir in allen drei Ländern zum gleichen Zeitpunkt gemeinsam mit den Aktionsplänen implementiert haben, ist etwas völlig anderes, Herr Keskin, als das, was Sie in Ihrem Antrag beschrieben haben. Zu sagen, die europäische Nachbarschaftspolitik diene der Militarisierung und Aufrüstung in diesen Ländern, ist völliger Quatsch.

Natürlich findet dort eine Militarisierung statt. Die Aufrüstung Georgiens durch die Amerikaner ist aus meiner Sicht falsch. Das, was die Aseris mit ihren Ölgeldern tun, ist falsch. Dass die Russen aus Georgien ihre Soldaten nach Armenien geschickt haben und dort auch eine Aufrüstung betreiben, ist auch falsch. In allen drei Ländern sind Fehler passiert.

Ich gebe Herrn Keskin recht in der Behauptung, dass wir uns zu spät gekümmert haben. Das ist richtig. Es war absehbar, dass dieser Konflikt nicht kalt bleibt, sondern heiß läuft. Das war im vergangenen Jahr immer mehr der Fall.

Die Verantwortung der Europäer ist jetzt deutlich geworden. Die Nachbarschaftspolitik ist das Instrument, mit dem wir das machen können. Wir sollten aber aufpassen, dass das viele Geld, das wir mit Blick auf unsere Nachbarschaftspolitik in diese Region investieren wollen, nicht ohne Konditionen investiert wird, dass wir Kriterien setzen, dass wir dafür sorgen, dass nicht kriminelle und korrupte Strukturen in diesen Ländern durch unsere Gelder gestärkt werden, dass nicht Inflation gestärkt wird, sondern dass Infrastruktur ausgebaut wird, dass den Menschen mit unserem Geld geholfen wird. Auch das gehört zu unserer Verantwortung, und dabei müssen wir aufpassen. Das heißt, wir müssen in diese Region fahren und schauen, was dort passiert, und mit den Leuten reden.

Vielen Dank.

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