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Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 3. September 2008 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Dänemark über eine Feste Fehmarnbeltquerung

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir haben es hier mit einem Verkehrsprojekt von gewaltigen Dimensionen zu tun.

Es ist, wie Gero Storjohann richtig gesagt hat, das größte Verkehrsprojekt der Europäischen Union, vor allen Dingen das größte in ganz Nordeuropa.

Es hat noch eine andere exorbitante Dimension: Es ist das Verkehrsprojekt mit dem schlechtesten Kosten-Nutzen-Verhältnis, das wir je gehabt haben.

Nach einer Untersuchung der Universität Rostock hat dieses Projekt ein Kosten-Nutzen-Verhältnis von 1 : 0,65. Das muss man sich einmal vorstellen. Beim Betrieb dieser Brücke wird jeder investierte Euro nicht nur mit 35 Cent subventioniert; wir machen sogar ein Minus. Alle, die sich ein bisschen mit Verkehrsplanung auskennen, wissen, Herr Großmann, dass wir im Bundesverkehrswegeplan nur Projekte mit einem Kosten-Nutzen-Verhältnis von 1 : 4 und höher finanzieren. Es gibt aber auch Ausnahmen. In diesem Fall jedoch ergeben selbst die besten Berechnungen nur ein Verhältnis von 1 : 1.

Es ist also ein unwirtschaftliches Projekt, ein Prestigeprojekt der Dänen –; man muss sich das einmal vorstellen, nach Schätzungen geht es um eine Summe zwischen 6 und 9 Milliarden Euro, also nicht um Peanuts; wir finanzieren einen geringeren Teil davon – für ein Verkehrsaufkommen, das auch nach Spitzenberechnungen nicht mehr als 8 000 Fahrzeuge pro Tag umfasst. Dafür baut man normalerweise gerade einmal eine Kreisstraße. Auch das macht das Kosten-Nutzen-Verhältnis so schlecht.

Herr Kollege Storjohann sagt, das Geld sei da. Lieber Herr Kollege Storjohann, von diesem Geld ist überhaupt nichts da. Jeder Cent, der in dieses Projekt investiert werden muss, wird über Schulden finanziert. Das muss in vielen Jahren über Mauteinnahmen wieder hereinkommen.

Herr Kollege Storjohann, wer darüber hinaus sagt, wir müssten nichts davon bezahlen, hat den Staatsvertrag nicht gelesen; denn in diesem Staatsvertrag steht, dass bei einer veränderten wirtschaftlichen Grundlage ganz neu über die Verteilung des Geldes geredet wird.

Das Risiko auch für den deutschen Steuerzahler besteht nicht nur in den Hinterlandanbindungen, deren Finanzierung bisher niemand geklärt hat und die nicht im Bundesverkehrswegeplan enthalten sind. Bisher gab es überhaupt keinen Cent öffentliche Mittel dafür. Das ist ein Heißluftballon, den Sie hier aufpusten, und zwar mit Schulden, die Sie zusätzlich aufnehmen wollen. Niemand kann aber sagen, ob mit diesem Projekt eine Rendite nicht nur für die Unternehmer, sondern auch für den Steuerzahler erzielt wird. Das ist eine Verkehrspolitik, die auch ökonomisch völlig verfehlt ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Gero Storjohann [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Sie möchten offenkundig eine Zwischenfrage des Kollegen Storjohann beantworten?

Gero Storjohann (CDU/CSU):

Herr Steenblock, können Sie mir zustimmen, dass in erster Linie auf Ihr Betreiben hin die Bahnstrecke Bad Oldesloe–Neumünster mit einem Volumen von 330 Millionen Euro in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen wurde und dass im Zuge des Baus der Fehmarnbelt-Querung das Projekt wegfällt, weil es sich dann erübrigt?

Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ich bin mir nicht sicher, ob es sich erübrigen würde. Es gibt aber natürlich die Vereinbahrung mit der Bahn AG, dass eine von diesen beiden Strecken zur Anbindung an das dänische Güterverkehrsnetz gebaut wird. Das hat aber nichts mit unserer Kritik an der Fehmarnbelt-Querung zu tun.

Ich habe gerade deutlich gemacht: Die ökonomischen Voraussetzungen sind extrem schlecht und unverantwortlich. Das können wir keiner Bürgerin und keinem Bürger erklären.

Die ökologischen Risiken dieses Projektes sind ebenfalls gewaltig. 20 Millionen Zugvögel fliegen auf dieser Route. Diese Tatsache ist bei den Planungen überhaupt nicht vernünftig berücksichtigt worden. Diese Brücke würde mitten in einem Schweinswalschutzgebiet stehen.

Unter dieser Brücke würden sich Schiffsbewegungen vollziehen, insbesondere von Öltankern. Es geht nicht wie beim Nord-Ostsee-Kanal darum, dass ein paar Schiffe unterwegs sind. Im Beltbereich sind 66 000 Schiffe unterwegs. Diese müssen zukünftig durch drei Flaschenhälse hindurch, die zwar jeweils 750 Meter breit sind. Das sind aber 66 000 Schiffe. Dieses Risiko ist völlig unbeherrschbar.

Schauen wir uns die weiteren ökologischen Konsequenzen an: Bei der Öresund-Querung, die Sie ja berücksichtigt haben, gibt es ein System, das den Wasseraustausch in diesem Bereich realisiert und das garantiert vernünftig ist. Das ist bei der Fehmarnbelt-Querung aus Kostengründen aber nicht geplant worden. Das wird – insbesondere im Hinblick auf den Wasseraustausch in der Region zwischen Nord- und Ostsee bis hinunter in die Beltregion – eine ökologische Katastrophe für die Ostsee zur Folge haben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein letzter Aspekt. Der Vergleich zwischen der Öresund-Region und der innerstädtischen Verbindung zwischen Kopenhagen und Malmö zum einen und diesem Projekt zum anderen ist absurd. Der Vergleich mit dem Tunnel, der unter dem Ärmelkanal gebaut wurde, ist der richtige, weil auch damit Regionen durch ein extrem teures Verkehrsprojekt miteinander verbunden wurden. Die Betreiber dieses Tunnels sind pleitegegangen. Da sind Milliarden von Steuergeldern vernichtet worden. Wir, die grüne Bundestagsfraktion, wollen unsere Steuerzahlerinnen und Steuerzahler davor bewahren, dass hier wieder Milliarden an Steuergeldern für eine Verkehrspolitik verschleudert werden, die nichts mit Nachhaltigkeit zu tun hat.

Vielen Dank.

 

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