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Schwarz-Rot geht die Luft aus

22.03.2008 Abgeordnetenwort Uetersener Nachrichten

Liebe Leserinnen und Leser,

monatelang haben sie vor allem Wahlkampf betrieben. Jetzt wollen sich Union und SPD wieder auf die Sacharbeit konzentrieren. Reformbaustellen gibt es mehr als genug. Selten jedoch spiegelte die parlamentarische Tagesordnung den politischen Stillstand in der Koalition so gut wider wie in den letzten Wochen.

In den Beratungen zur Gesundheitsreform haben Union und SPD über 200 Änderungsanträge zu ihrem eigenen Gesetzentwurf gestellt. Besser geworden ist das Gesetz dadurch nicht. Das Bürokratiemonster Gesundheitsfonds wurde gleich auf 2009 vertagt und ist weiterhin hoch umstritten in der Koalition. Auch um die Pflegereform gab es viel Getöse. Die Union mochte sich nicht so recht mit den Pflegestützpunkten anfreunden, die nach dem Willen der SPD bundesweit errichtet werden und Beratung anbieten sollen. Herausgekommen ist das Gegenteil eines schlüssigen Gesamtkonzepts: Die Bundesregierung überlässt die Entscheidung über die Stützpunkte den Ländern. Den Aufbau und die personelle Ausstattung sollen aber die Kassen finanzieren. Um Inhalte geht es den Koalitionspartnern auch in der Familienpolitik längst nicht mehr. Mit dem Betreuungsgeld steht künftig eine Maßnahme im Gesetz, die Kinder von früher Förderung und Mütter von der Arbeitswelt fernhält. Statt schätzungsweise zwei Milliarden Euro in das verfehlte Betreuungsgeld zu stecken, sollte das Geld in Ausbau und Qualität der Kinderbetreuung investiert werden.

Verwässern und Verschleppen – nach diesem Motto verfährt die schwarz-rote Koalition auch beim Mindestlohn und hat das Projekt damit an den Abgrund bugsiert. An der schwarzen Dauerblockade rennt sich die geschwächte SPD den Kopf ein. Die Unions-Tricksereien verhindern faire Löhne und sind verantwortlich dafür, dass viele Erwerbstätige von ihrem Einkommen nicht leben können. Fakt aber ist: Es gibt in Deutschland eine deutliche gesellschaftliche Mehrheit für Mindestlöhne. Auf der internationalen Bühne mimt Bundeskanzlerin Angela Merkel gerne die Klimaschutz-Vorkämpferin. Zuhause verfolgt sie eine höchst widersprüchliche Politik, die Lichtjahre vom Notwendigen entfernt ist. Rund 42 Prozent der deutschen CO2-Emissionen stammen aus der Stromerzeugung. Aber mit den großen Energiekonzernen will sich die Bundesregierung nicht anlegen. Ausgerechnet an die Braunkohle hat Merkel ihr Herz verloren und lässt keine Gelegenheit aus, für den Bau klimaschädlicher Kohlekraftwerke zu werben. Mindestens 23 davon sollen in den nächsten Jahren hochgezogen werden, vier davon in Schleswig-Holstein. Ganz nebenbei werden sie die zentralisierte Netzstruktur zementieren, die zum Hindernis für den weiteren Ausbau der Windenergie wird. Die Privatisierung der Bahn droht im Hauruck-Verfahren am Parlament vorbei noch in diesem Frühjahr durchgezogen zu werden. Kommt die Privatisierung nach der neuesten Zauberformel aus Volksaktien- und Holding-Modell, drohen massive Streckenstilllegungen im ländlichen Raum. Ich finde: Die Bahnprivatisierung muss sofort gestoppt werden. Schieneninfrastruktur ist eine öffentliche Aufgabe und darf auch nicht indirekt dem Einfluss von Privatinvestoren ausgesetzt werden.

Die Zeit bis zum planmäßigen Ende der Legislaturperiode wird knapp. Die Liste der offenen Punkte ist lang, die der Kompromiss-Chancen überschaubar. Es ist höchste Zeit, dass die Koalition endlich wichtige Gesetze und Reformen anpackt.

Schöne Ostertage wünscht Ihnen

Rainder Steenblock

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