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Die Anhörung der grünen Bundestagsfraktion zum Thema Gasversorgungssicherheit in Europa war gut besucht. In drei Blöcken wurden die Themen Ressourcen, Transport und europäische Biogaseinspeisestrategie als Alternative zum Erdgas diskutiert. Nach der Begrüßung durch den energiepolitischen Sprecher der Bundestagsfraktion Hans-Josef Fell wurde im ersten Themenblock die Ressourcenfrage aber auch die Frage nach der politischen Zuverlässigkeit Russlands besprochen.
Ist genug Erdgas vorhanden?
In der Eingangsrunde wurde eine große Einigkeit der Referenten bei der Analyse der aktuellen Situation deutlich: Rückgang der Förderung in den europäischen Förderstaaten bis auf Norwegen, gleichzeitig stark steigender Bedarf in Europa. Das stärkste Nachfragewachstum wird dabei durch Gaskraftwerke erzeugt. Wichtigster Lieferant für den europäischen Gasimport wird Russland sein. Zwar befinden sich die großen westsibirischen Gasfelder teilweise schon heute jenseits des Förderhöhepunktes, doch weitere große Felder könnten in der Zukunft erschlossen werden. Ob diese Felder wirklich ausreichen, um den Importbedarf Europas zu decken, war anschließend Gegenstand der Diskussion.
Dr. Zittel von L-B-Systemtechnik vertrat die These, dass Europa bis 2020 etwa 150 bis 200 Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr zusätzlich importieren muss, Russland dieses Gas aber nicht liefern kann. Außerdem würde die russische Gasförderung vor 2020 nachlassen.
Dr. Götz von der Stiftung Wissenschaft und Politik lenkte den Blick auf die noch nicht angeschlossenen Felder in der Barentssee und auf der Yamal-Halbinsel. Hier liege die Hoffnung Europas. Die entschiedene Frage sei jedoch wie schnell diese Felder erschlossen werden können und wie teuer dies sei. Ein Teil dieses Gases werde auch über Flüssiggasterminals zur Verfügung stehen und somit auf dem zunehmend globalen Gasmarkt weltweit verschifft werden. Abnehmer werden unter anderem die USA und Japan sein. Der Gasexport nach China werde sich in Grenzen halten, da China selbst noch Gasreserven besitzt. Das russische Gas für China komme zusätzlich aus den ostsibirischen Feldern, die für Europa nicht von Interesse seien. Von entscheidender Bedeutung ist auch der Eigenverbrauch Russlands. Zwei Drittel des in Russland geförderten Erdgases sind hierfür bestimmt. In seinem Fazit zeigte Götz auf, dass Russland zwar mehr Gas nach Europa liefern werde, der aus Russland importierte Anteil relativ gesehen sinken würde, da vor allem die Lieferungen aus Nordafrika künftig verstärkt werden.
Dr. Zittel stellte dar, dass schon 2020 das Maximum der globalen Erdgasförderung erreicht sein könnte. Wenn das vorherige Fördermaximum für Erdöl berücksichtigt wird, könnten sich schon deutlich vorher Knappheiten und Preissprünge einstellen, da Erdgas der Ersatz für Erdöl sei. Auf jeden Fall dürften davon langfristige Investitionen wie Erdgaskraftwerke betroffen sein.
Dr. Riemer von Eon-Ruhrgas betonte, dass die Erschließung von Reserven in erster Linie eine Frage des Preisniveaus sei und dass die statistische Reichweite der Reserven in den letzten Jahren aufgrund gestiegener Gaspreise leicht zugenommen habe. Er hob weiterhin die Anstrengungen von Ruhrgas im Bereich der Speicherung und der Entwicklung neuer Strategien wie die Schaffung eines LNG-Terminals in Wilhelmshaven hervor. Aber auch die Bereitschaft von Eon-Ruhrgas nicht nur als Importeur, sondern auch als Investor in Fördergebieten, wie heute schon in Norwegen, künftig eine Rolle zu spielen, wurde thematisiert. Riemer forderte die Politik auf, eine politische Flankierung der Unternehmungen zu leisten, auch um die Energiepartnerschaft mit Russland auf Augenhöhe zu verstärken.
Tim Osborne von GML Ltd. (vormahls Group Menatep) zeigte hingegen deutlich auf, welche Gefahren in einer Abhängigkeit von Russland bestehen. Die Weigerung die russischen Pipelines für die Durchleitung von Gas aus anderen Ländern wie z.B. Turkmenistan oder Iran zu marktüblichen Preisen zur Verfügung zu stellen, sei ein Warnsignal. Bislang habe nur Russland Gas als politische Waffe eingesetzt. Russland müsse dazu gebracht werden, Verträge einzuhalten und müsse die Energiecharta unterschreiben. Diesem Punkt stimmten auch die anderen Experten zu.
Ostseepipeline
Dr. Götz von der SWP hob hervor, dass die geplante Ostseegaspipeline nicht erforderlich ist, um den Erdgasverbrauch Mittel- und Westeuropas abzudecken. Es wäre viel günstiger und einfacher die vorhandenen Landpipelines auszubauen. Die neue Pipeline erhöhe vor allem die strategischen Möglichkeiten von Gazprom. Offenbar solche Gesichtspunkte für den russischen Staatskonzern wichtiger als die Wirtschaftlichkeit des Projektes, da die geplante Ostseegaspipeline doppelt so teuer ist wie eine gleich lange Pipeline an Land.
Jochen Lamp vom WWF stellte die möglichen ökologischen Folgen des Baus der Pipeline dar. Ein Gesamtbild könne aber noch nicht gegeben werden, da zwar eine Machbarkeitsstudie vorliege, jedoch nicht öffentlich zugänglich gemacht werde. Zudem seien weder ein Raumordnungsverfahren noch ein Planfeststellungsverfahren in Sicht. Lamp befürchtete, dass die üblichen Genehmigungsstandards unterlaufen werden und auch auf die Bedürfnisse der Ökologie zu wenig Rücksicht genommen werde. Beispielhaft stellte er dar, dass der Meersboden z.T. aus Fels bestehe und metertief gesprengt werden müsste. An manchen Stellen durchlaufe die Pipeline zudem Schutzgebiete. Er forderte mit Blick auf die bisherige Intransparenz bei der Planung dieser Pipeline sowie den Eingriffen auf die natürlichen Lebensräume, die Standardmethoden der Offshore-Windkraftparks (Standarduntersuchungskonzept) auch beim Bau von Pipelines im Meer anzulegen.
Rainder Steenblock, europapolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion, fasste die Aussagen in einem Satz prägnant zusammen: Die Pipeline sei unnötig, teuer und brisant.
Europäische Biogaseinspeisestrategie
Die Frage nach den Potenzialen von Biogas waren im dritten Block Gegenstand des Interesses. Cornelia Behm, Sprecherin für ländliche Räume führte mit der Frage nach der Nachhaltigkeit einer Biomassestrategie an die Referenten ein.
Herr Schäufele vom BGW stellte die wesentlichen Inhalte der Studie "Analyse und Bewertung der Nutzungsmöglichkeiten von Biomasse" vor, die im Auftrag des BGW und des DVGW erstellt worden war. Er beschrieb das Biomassepotential, welches unter günstigen wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen bereitgestellt werden könnte.
Frau Dr. Thraen vom IE deutete in einer ersten Abschätzung an, dass ein großer Anteil des Erdgasbedarfes in der EU durch Biogas gedeckt werden könnte. Vor allem bei den Energiepflanzen seien große Potentiale vorhanden, insbesondere, wenn neue Technologien zum Einsatz gelangen. Eine Chance besteht hier für die östlichen Nicht-EU-Länder Europas.
Uwe Fritsche vom Ökoinstitut hob hervor, dass selbst unter hohen Umweltanforderungen bis zu 25 Prozent des Energieverbrauches über Bioenergien abgedeckt werden könnten. Dabei wurde auch deutlich, dass zu einer europäischen Biogasstrategie eine europäische Umweltpolitik gehört.
Europaweite Potenziale schnell und effektiv nutzen
Im Fazit betonte Hans-Josef Fell, dass noch gewaltige Anstrengungen gemacht werden müssen, um die fossilen Energieträger abzulösen. Doch habe die Anhörung verdeutlicht, dass durch Bioenergien ein besonderes weiteres Puzzelteil für die Umstellung der Energieversorgung vorliege. Wie schon bei anderen erneuerbaren Energien würden die Potentiale der Bioenergien allerdings zu niedrig angesetzt. Um die europaweiten Potenziale schnell und effektiv zu nutzen, sei es ein Gebot der Stunde eine europäische Biogaseinspeisestrategie auf den Weg zu bringen. Die Zukunft werde zeigen, dass bei entsprechenden politischen Rahmenbedingungen, der Siegeszug der Bioenergien nicht aufzuhalten sein werde.