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Auf Einladung des grünen Bundestagsabgeordneten Rainder Steenblock reisten Anfang Oktober (30.09.-03.10.2007) 30 SchülerInnen aus Pinneberg, Elmshorn, Kiel und Selenogradsk nach Straßburg, um einen Blick hinter die Kulissen der europäischen Politik zu werfen. Erwartungsvoll und gut gelaunt machten sich die 16- bis 26-Jährigen auf den Weg in die „Hauptstadt Europas“. Neben Besuchen im Europaparlament und im Europarat standen ein Stadtrundgang, eine Bootsfahrt auf der Ill, eine Fahrt ins ehemalige Konzentrationslager Natzweiler-Struthof und eine Führung im Zoologischen Museum auf dem Programm.
Wahrzeichen der Stadt ist das gotische Münster. Warum das Münster nur einen Turm hat und dieser 1789 kurzzeitig sogar eine rote Mütze trug, erfuhren die BesucherInnen bei schönstem Sonnenschein auf einem Rundgang durch die Innenstadt. Beeindruckend war neben Fassade und Portal auch der Innenraum der Kirche mit seinen alten Glasfenstern und mit der berühmten astronomischen Uhr, die im Jahr 1547 eingebaut wurde und als Meisterwerk der Technik gilt. Die Uhr zeigt neben Planetenbahnen, Mondphasen und Tierkreiszeichen auch die Feiertage des Kirchenjahres an und lässt die vier Lebensalter im Viertelstundentakt am Tod vorbeiziehen. Auf die skurrilen Details der Ausgestaltung des Kirchenraums machte die engagierte Stadtführerin die Gruppe aufmerksam. Etwa auf den „Gucker“ an der Brüstung der Galerie, der – von der Tragkraft der zentralen Gewölbestütze im südlichen Querschiff nicht überzeugt – geschworen hatte, dort stehen zu bleiben, bis der Pfeiler einstürzt. Worauf er (glücklicherweise) bis heute vergeblich wartet. Die gebannten ZuhörerInnen erfuhren auch, welche Anekdote hinter der in die Kanzel eingearbeiteten Figur eines kleinen Hundes steckt, der zu Lebzeiten den Priester zur Messe begleitete. Dessen von ermüdeten Gottesdienstbesuchern durch Ziehen am Schwanz mutwillig herbeigeführtes Winseln stellte die einzige Möglichkeit dar, der Predigt seines Herrchens ein rasches Ende zu setzen. Heute lässt der Hund die geheimen Wünsche Derjenigen in Erfüllung gehen, die seine Schnauze streicheln.
Straßburgs gut erhaltene historische Altstadt wird von der Ill umflossen. Vom Wasser aus boten sich der Gruppe deshalb die schönsten Einblicke in das Gerberviertel am Flussufer mit seinen malerischen Fachwerkhäusern, kleinen Gassen und steilen Dächer mit bis zu vier Dachgeschossen. Wie oft die Staatsbürgerschaft eines Straßburgers im Laufe weniger Jahre wechselte, machte ein Schnelldurchgang durch die Stadtgeschichte deutlich. Nach dem deutsch-französischen Krieg 1871 wurde Straßburg vom neu gegründeten Deutschen Reich zur Hauptstadt des Reichslandes Elsass-Lothringen erklärt. Nach dem ersten Weltkrieg wurde Straßburg dann wieder Frankreich zugeschlagen. Mit dem Einmarsch der Wehrmachtstruppen Mitte Juni 1940 wurde die Stadt erneut Teil des Deutschen Reiches.
Das Grauen, das die Zeit des Dritten Reiches für rund 52.000 Gefangene des Konzentrationslagers Natzweiler-Struthof mit sich brachte, erahnten die SchülerInnen bei einem Besuch der heutigen Gedenkstätte auf dem ehemaligen Lagergelände. 1941 auf einem Gipfel der Vogesen errichtet, war Struthof kein Vernichtungslager im engeren Sinne, sondern diente als Straf- und Arbeitslager vor allem für politische Gefangene. Die Vernichtung in Struthof fand durch Kälte, Hunger und harte Arbeit statt. Bis zur Erschöpfung mussten die Häftlinge in Steinbrüchen, Munitionsfabriken oder beim Straßenbau schuften oder wurden für medizinische Experimente missbraucht. 20.000 Menschen überlegten das Lager nicht.
Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte das Elsass zu Frankreich zurück. Straßburg wurde zum Symbol der europäischen Einigung und ist heute Sitz zahlreicher europäischer Einrichtungen wie des Europarats, des Europaparlaments und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.
Die Wirkungsstätten der Mitglieder des Europäischen Parlaments konnten die TeilnehmerInnen der Bildungsfahrt im modernen Parlamentsgebäude unter die Lupe nehmen. Zwölf Plenarsitzungswochen im Jahr finden in Straßburg statt, die 785 direkt gewählten Abgeordneten aus 27 Ländern sind an der Gesetzgebung der Europäischen Union beteiligt und kontrollieren die Europäische Kommission. Welche logistischen Herausforderungen ein multinationales Parlament bewältigen muss, verdeutlicht der Aufwand für die Übersetzungen in die inzwischen 23 Amtssprachen der EU und für das ständige Pendeln des Beamten- und Mitarbeitertrosses samt Unterlagen zwischen den drei Arbeitsorten Straßburg, Brüssel und Luxemburg. ÜbersetzerInnen, DolmetscherInnen und Schreibkräfte machen teilweise bis zu 60 Prozent des ambulanten Parlamentspersonals aus.
Eine eigenständige internationale Organisation, die oft mit der EU verwechselt wird, aber nichts mit ihr zu tun hat, ist der Europarat. Er wurde 1949 gegründet und befasst sich vorrangig mit den Themen Schutz der Menschenrechte, der Demokratie und des Rechtsstaats. Die Parlamentarische Versammlung, die viermal im Jahr in Straßburg zusammenkommt, dient als Diskussionsforum für Angelegenheiten, die europaweites Handeln erfordern, sie gibt politische Anstöße und spricht Empfehlungen an die Regierungen der Mitgliedstaaten aus. Ein Arbeitsfeld der Parlamentarischen Versammlung des Europarats lernten die BesucherInnen aus eigener Anschauung kennen – indem sie im Sitzungssaal eine Plenardebatte live verfolgen konnten. Auf der Tagesordnung stand die Debatte über die humanitäre Krise in Darfur.
Leere Reihen, fehlende Aufmerksamkeit, festgefahrene Argumentationsmuster ohne echte Diskussionen – das waren die Eindrücke, die die jungen Leute aus dem Sitzungsablauf mitgenommen hatten. Ihre Fragen zu Arbeitsweise und Handlungsmöglichkeiten der Delegierten konnten sie im anschließenden Gespräch mit einem Mitarbeiter des Büros der 18-köpfigen deutschen Delegation (in Vertretung für den verhinderten Rainder Steenblock) loswerden. Warum sind in den Sitzungen nur wenige Abgeordnete im Plenarsaal anwesend? Wie wird umgesetzt, was das Plenum beschlossen hat? Was hat Afrika mit dem europäischen „Kerngeschäft“ zu tun? Die Antworten zeigten Vorteile wie Grenzen dieser europäischen Institution auf. Die Beschlüsse des Plenums sind im Unterschied zu Richtlinien und Verordnungen der EU keine unmittelbar bindenden Rechtsnormen, sondern bedürfen der Ratifizierung durch die Mitgliedsstaaten. Die Delegierten werden nicht direkt gewählt, sondern von den nationalen Parlamenten der Mitgliedstaaten entsandt. Alle EU-Mitgliedsstaaten sind auch Mitglieder des Europarats, daneben gehören ihm noch andere Staaten an, beispielsweise Russland, die Ukraine, Island, die Schweiz, Serbien oder die Türkei. Die Vielzahl der beteiligten Länder bereichert die Diskussion einzelner Themen um neue Perspektiven, die dann wiederum in die jeweiligen nationalen Entscheidungsprozesse einfließen.
Viel gebracht habe die Tour, bilanzierten die TeilnehmerInnen am Ende der Fahrt. Es gab Informationen, Antworten und Anregungen – vom Spaß ganz zu schweigen. Denn schließlich kam auch das gesellige Beisammensein mit Gleichaltrigen aus anderen Schulen nicht zu kurz.
Gruppenfoto im Europaparlament mit SchülerInnen der Johannes-Brahms-Schule und der Matthias-Claudius-Schule Pinneberg, der Bismarckschule Elmshorn, der Berufsoberschule Kiel-Gaarden, mit Gastschülerinnen aus Selenogradsk sowie mit den TeilnehmerInnen am freiwilligen ökologischen Jahr (FÖJ) beim NABU Haseldorf.