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PE 17.05.2006 Notschleppkonzept an gestiegene Herausforderungen anpassen

Die deutschen Küsten liegen an den am stärksten frequentierten Seeverkehrswegen der Welt. Schiffsunfälle in den letzten Jahren haben immer wieder deutlich gemacht, welchen Gefahren die Küsten ausgesetzt sind und wie wichtig Notschlepper zur unmittelbaren Gefahrenabwehr sind.

 

"Aufgrund der zunehmenden Verkehrszahlen größerer Schiffe muss das 2000/2001 erstellte Notschleppkonzept der Bundesregierung überprüft werden", mahnt Rainder Steenblock, grüner Bundestagsabgeordneter und Mitglied im Verkehrsausschuss. "Die Bundesregierung weigert sich bisher, diese Veränderungen in ein neues maritimes Sicherheitskonzept umzusetzen. Deshalb fordern wir in einem Antrag ein aktuelles, an die Entwicklung des Seeverkehrs in Nord- und Ostsee angepasstes Notschleppkonzept. Künftige Notschlepper müssen an die maximal möglichen Schiffsgrößen angepasst und mit einer deutlich höheren Schleppleistung von mindestens 200 t Pfahlzug in der Nordsee und 120 t in der Ostsee ausgestattet werden. Für die Nordsee ist ein verstärktes Gefährdungspotenzial durch Containerschiffe mit Gefahrgütern zu erwarten, die im Falle einer Havarie gefährliche Gase und Chemikalien freisetzen können. Für die Ostsee ist vor allem ein deutlich erhöhtes Aufkommen von Öltankern zu erwarten. Dringend erforderlich ist deshalb, dass zukünftig Notschlepper vollständig gegen gefährliche Gase geschützt sind. In der anstehenden Haushaltsdebatte werden wir die Bundesregierung auffordern, die Leistungsdaten an die gestiegenen Herausforderungen anzupassen und ein verbessertes Notschleppkonzept vorzulegen."

 

Notschleppkonzept an gestiegene Herausforderungen anpassen

 

17.02.06

 

Antrag der Abgeordneten Rainder Steenblock (weitere Abgeordnete)... und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN...

 

Der Bundestag wolle beschließen:

 

I. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, das 2000/2001 erstellte Notschleppkonzept zu überprüfen und zu aktualisieren.

 

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, aufgrund des massiv zugenommen Seeverkehrs und der Entwicklung zu immer größeren Schiffen die Anforderungen an künftige Notschlepper zu verbessern:

 

1. Ausrüstung der Notschlepper in Nord- und Ostsee mit einem Schutz gegen gefährliche Gase nach den GL-Richtlinien für den Bau von Chemikalienunfall-Bekämpfungsschiffen,

 

2. Erhöhung der Schleppleistung in der Nordsee auf mindestens 200 t, in der Ostsee auf mindestens 120 t Pfahlzug,

 

3. Erhöhung der Geschwindigkeit in der Nordsee auf mindestens 19,0 Knoten.

 

Berlin, den 09.02.2006

 

Rainder Steenblock Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

 

Begründung

 

Die Schiffsunfälle der letzten Jahre haben immer wieder deutlich gemacht, welchen Gefahren die Küsten ausgesetzt sind und wie wichtig Notschlepper zur unmittelbaren Gefahrenabwehr sind. Ein aktuelles, an die Entwicklung des Seeverkehrs angepasstes Notschleppkonzept ist ein zentrales Element der maritimen Notfallvorsorge für die deutsche Nord- und Ostseeküste. Die Bundesregierung hat als Folge der "Pallas"-Havarie in den Jahren 2000/2001 das bestehende maritime Notfallvorsorge- und Notfallmanagement durch die Projektorganisation "Maritime Notfallvorsorge" des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung überprüft und verbessert.

 

Die deutschen Küsten liegen an den am stärksten frequentierten Seeverkehrswegen der Welt. Allein Russland will seine Ölexporte aus den Ostseehäfen bis 2010 verdoppeln. Damit steigt die Anzahl der Tanker, die mit der in der Ostsee maximal möglichen Größe von 150.000 bis 160.000 tdw aus den baltischen Verladehäfen kommen. Für Tanker dieser Größe reicht der von der TPG 1 im Jahr 2001 empfohlene Mindest-Pfahlzug von 80 t für den in Rostock-Warnemünde stationierten Notschlepper nicht aus, er muss über eine Schleppleistung von mindestens 120 t verfügen.

 

In Anbetracht der Entwicklung in der internationalen Containerschifffahrt mit Schiffsgrößen über 9.000 TEU, die die deutschen Nordseehäfen schon heute (2001: 6.500 TEU) regelmäßig anlaufen, muss die Schleppleistung des vor Norderney stationierten Notschleppers daran angepasst werden. Für Containerschiffe dieser Größe reicht der von der TPG 1 im Jahr 2001 empfohlene Mindest-Pfahlzug von 160 t für diesen Notschlepper nicht aus, er muss über eine Schleppleistung von mindestens 200 t verfügen.

 

Auf Containerschiffen werden im umfangreichen Maße Gefahrengüter nach dem so genannten IMDG-Code ("International Maritime Dangerous Goods") transportiert. Dabei handelt es sich um Güter, die sowohl Gase, als auch Flüssigkeiten oder feste Stoffe umfassen können. Wenn beispielsweise Flüssigkeiten auslaufen, können sich durch Wärmeaufnahme von der See Gase entwickeln, die den Einsatz eines gegen solche Gase ungeschützten Notschleppers in unmittelbarer Nähe des Havaristen unmöglich machen. Hierfür ist ein vollständiger Schutz des Notschleppers gegen gefährliche Gase erforderlich, um mit der durch den Schutz auf weniger als die Hälfte verringerten Maschinen-Nennleistung zunächst einmal die erforderlichen Messungen durchzuführen. Danach erst kann unter Einhaltung der notwendigen Schutzmaß-nahmen eine Schleppverbindung zum Havaristen hergestellt und nach Erreichen der Schleppdistanz von mehreren hundert Metern mit voller Maschinenleistung geschleppt werden.

 

Dringend erforderlich ist auch zum Schutz der Notschlepper-Besatzung vor Brandgasen bei einem Feuerlöscheinsatz, dass zukünftig Notschlepper vollständig nach der GL-Richtlinie für den Bau von Chemikalienunfall-Bekämpfungsschiffen gegen gefährliche Gase geschützt sind.

 

Containerschiffe, die in der Regel mit einer hohen Decksladung fahren, verhalten sich im Wind wie ein Tragflügel. Das heißt, dass sich das Schiff so einstellt, dass Auftrieb maximal und Widerstand minimal wird, das Schiff treibt quer zu Strom und Wind. Dies bedeutet, dass sobald ein schleppendes Fahrzeug ein anderes ziehen soll, es diesen dynamischen Auftrieb zusätzlich noch überwinden und seine Zugkraft dadurch in Abhängigkeit von der Windstärke erheblich erhöhen muss. Ein Containerschiff mit hoher, dem Wind ausgesetzter Decksladung benötigt also gegenüber einem Massengutfrachter oder Tanker gleicher Größe eine deutlich höhere Schleppleistung. Gleichzeitig erhöht sich durch die hohe Decksladung und den daraus resultierenden hohen Windwiderstand die Driftgeschwindigkeit von Containerschiffen gegenüber einem Massengutfrachter oder Tanker gleicher Größe ebenfalls deutlich. Die von der TPG 1 im Jahr 2001 für die Nordsee zukünftig festgelegte Geschwindigkeit ist daher von mindestens 17,5 auf mindestens 19,0 Knoten zu erhöhen.